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kiezdiskussion

Verbotsdebatten rund ums Kottbusser Tor

Wilhelm hat ihn auch unterschrieben, den Aufruf zum „Revolutionären 1. Mai“. Der hängt nun halb zerrissen an der Bücherei am Kottbusser Tor. Jetzt sitzt Wilhelm in der Teestube gegenüber. Von dem Demoverbot hat er noch nichts gehört. Dagegen ist er trotzdem: „Es wird jetzt alles verboten. Seit Berlin Hauptstadt ist, soll die Stadt zur demonstrationsfreien Zone werden. Mit dem Verbot gibt es nur noch mehr Zoff.“ Mehdi, an der Bushaltestelle, ist stoisch: „Diese Haltestelle ist jedes Jahr kaputt gegangen, das wird auch dieses Jahr nicht anders.“ Einige Kreuzberger Ladenbesitzer sehen das anders. „Abschaffen ist besser“, meint Ustun vom Lezzet-Grill, „wie die Kommunisten“. Auch Cem und Daniela begrüßen die Entscheidung des Innensenator: „Das ist gut mit dem Verbot. Die randalieren doch nur.“ Cem fasst seine Argumente kurz und bündig zusammen: „Weniger Gewalt, weniger Geld, weniger Probleme.“ Kaputte Schaufenster sind im italo-türkischem Stehcafé nebenan aber kein Argument. „Dafür haben wir Versicherungen“, übersetzt Koray seinen Teilhaber. „Der 1. Mai ist der Tag der Arbeiter. Da muss man doch sagen können, was man denkt.“ Kundin Lola muss sich erst mal setzen. Hat das „Drama“ gerade in der Zeitung gelesen. „Der ganze 1. Mai wird überhaupt nicht ernst genommen. So, wie die sich jetzt verhalten, bleibt einem nichts anderes übrig als jetzt erst recht zu demonstrieren.“ Für das Verbot sprechen sich nur wenige aus. „Dirigistisch, autoritär, hirnrissig“, heißt es. Für viele hat die Demo, deren Verlauf sonst eher zwiespältig beurteilt wird, jetzt erst einen Sinn. Für die Meinungsfreiheit eben. „Solange ich denken kann, und ich bin 74“, erklärt eine Passantin, „gab es immer die 1.-Mai-Demonstrationen. Wenn Leute Krawall machen, dann ist das eben ein Zeichen, dass sie unzufrieden sind.“

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