: „Sie kriegen die Stasi nicht los“
Der Rundfunkrat des MDR hat entschieden, wie er mit stasibelasteten Mitarbeitern umgehen will. Der Thüringer Landesbeauftragte hält Kündigungen für unmöglich
BERLIN taz ■ Das Thema war heikel, doch die Sitzung kurz. Einstimmig hat der Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) am Montag beschlossen, wie er mit Mitarbeitern umgehen möchte, die früher für die DDR-Staatssicherheit (Stasi) gearbeitet haben. Zu jedem enttarnten Spitzel im Haus wird der Personalausschuss des Senders eine Empfehlung abgeben – abhängig vom Grad seiner Belastung. „Dabei orientiert er sich an den Kriterien der Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen“, sagt MDR-Sprecher Frank Suppé. Am Ende entscheidet MDR-Intendant Udo Reiter, wer gehen muss und wer bleiben darf.
„Reiter kann die Leute nicht entlassen“, sagt der Thüringer Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Jürgen Haschke. Schon einmal, kurz nach der Wiedervereinigung, hat der Sender einen Teil seiner Belegschaft auf Stasitätigkeit überprüft – und die Aufarbeitung versäumt. Während im öffentlichen Dienst rund der Hälfte der enttarnten Stasispitzel gekündigt wurde, mussten beim MDR auf Anweisung Udo Reiters nur zwei von 76 Geheimdienstzuträgern gehen, 14 verließen den Sender freiwillig. „Die übrigen Stasileute kriegt er heute nicht mehr los“, sagt Haschke. „Jeder Arbeitsrichter würde eine Änderung seiner ersten Entscheidung zurückweisen.“
Doch es geht auch um neue Fälle. Als im vorigen Jahr ausgerechnet Stasispitzel über die Stasi im Fernsehen berichteten, geriet Udo Reiter nicht nur wegen seiner unkritischen Entscheidungen von einst in die Kritik, sondern es outeten sich plötzlich auch Journalisten, die bislang als unbelastet galten. Nun werden alle überprüft. Von etwa 1.500 Mitarbeitern liegen die Ergebnisse inzwischen vor. Bei 2.500 wird noch nach Akten gesucht. Doch Haschke meint, Reiter kann auch die jetzt enttarnten Stasileute nicht entlassen. „Wie wollen sie jemandem erklären, dass er gehen muss, sein Spitzelkollege aber bleiben darf, nur weil er schon früher enttarnt wurde?“
Haschkes sächsischer Amtskollege Michael Beleites hätte eine Antwort. „Unrecht, das in einem Fall nicht bestraft wurde, kann in einem anderen durchaus bestraft werden. So ist das Gesetz.“ Beleites bewegt seit Beginn der Debatte eine ganz andere Frage: „Nach der ersten Überprüfung wurde Reiter offenbar falsch beraten oder er hat bewusst die Stasispitzel in seinem Haus geduldet. Warum werden da keine personellen Konsequenzen gezogen?“ RALF GEISSLER
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