Bei der nächsten Seuche wird alles anders

Agrarrat in Luxemburg: Künast will Debatte ums Impfen, Tiermehl soll verboten bleiben. Die BSE-freien Staaten murren

BERLIN taz ■ Wenn der aktuelle Ausbruch von Maul-und Klauenseuche vorbei ist, soll die EU ihre Politik des Nichtimpfens „kritisch bewerten“ und „Konsequenzen ziehen“. Das hat Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) gestern in einem „Memorandum zur MKS-Bekämpfungspolitik“ von ihren Amtskollegen beim EU-Agrarrat in Luxemburg gefordert.

Künast fordert nicht die Impfungen, will aber die jetzige Politik des massenhaften Totschlagens überprüfen. Nach einer „Kosten-Nutzen-Analyse“ solle die EU neu entscheiden und möglicherweise zu regionalen Impfungen und regionaler Fleischvermarktung übergehen. „Ein Fortschritt wäre es auch, wenn die Impfungen in einer Region nicht die Exportfähigkeit anderer EU-Staaten minderten“, so Künast. Der Präsident des europäischen und deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, unterstützte Künasts Forderung. Die EU brauche den Einstieg in eine neue Impfstrategie. Bisher sind MKS-Impfungen in der EU verboten.

Auch beim Verbot von Tiermehl zeichnet sich unter den Agrarministern keine schnelle Einigung ab. Das EU-weite Verbot läuft am 30. Juni aus und BSE-freie Länder wie Schweden und Finnland drängen darauf, Tiermehl wieder für die Schweine- und Geflügelmast zuzulassen. Demgegenüber fordern etwa Deutschland, Frankreich und Österreich eine Verlängerung des Verbots. Sie fürchten, dass es bei der Herstellung zu Verseuchungen anderer Futterstoffe kommt oder dass Bauern trotz des Verbots wieder Rinder mit Tiermehl füttern. Außerdem haben diese BSE-Länder weiter Angst um ihren Fleischabsatz: Der liegt in der gesamten EU wieder bei etwa 80 Prozent des Normalniveaus, in Deutschland aber nur bei etwa 60 Prozent. Deutschland möchte das Verbot verschärfen und um Tierfette erweitern. Einen Kompromissvorschlag hat EU-Verbraucherkommissar David Byrne gemacht: Tiermehl solle so lange verboten bleiben, bis die Kontrollen wirklich greifen. Im Frühjahr 2002 solle die EU dann nach neuester wissenschaftlicher Erkenntnis über das weitere Vorgehen entscheiden. Seine Hoffnung: Bis dahin hat sich die Aufregung über BSE allgemein gelegt. So ist in Großbritannien trotz inzwischen etwa 180.000 BSE-Fällen der Fleischkonsum wieder auf Normalmaß. BERNHARD PÖTTER

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