: „Eigentlich eine unpolitische Angelegenheit“
Der Weiße Ring will nicht mehr gegen Vollzugslockerungen für Straftäter polemisieren, verspricht der neue Vorsitzende Wolf Weber
taz: Zum ersten Mal steht ein Sozialdemokrat an der Spitze des Weißen Rings. Ist das ein Signal der Opferschutzorganisation an die rot-grüne Bundesregierung?
Wolf Weber: Nein, Opferschutz ist eigentlich eine unpolitische Angelegenheit. Dass ich persönlich ein gutes Verhältnis zu Justizministerin Herta Däubler-Gmelin habe, schadet unserer Arbeit aber sicher nicht.
Es ist ungewöhnlich, dass jemand in einen Verein eintritt und sofort Bundesvorsitzender wird . . .
Das hat vor allem mit der Krise des Weißen Rings im letzten Jahr zu tun, als der Gründer Eduard Zimmermann seinen Ehrenvorsitz niederlegte und den Verein verließ. Da wurde jemand Unbelastetes gesucht, der mit den turbulenten internen Auseinandersetzungen nichts zu tun hatte.
Eduard Zimmermann warf dem Weißen Ring Spendenmissbrauch vor, der Verein kritisierte das „autoritäre Selbstverständnis“ Zimmermanns. Wer hatte Recht?
Die inhaltlichen Vorwürfe Zimmermanns sind ausgeräumt, weil sie nicht berechtigt waren. Dennoch hat Eduard Zimmermann für den Opferschutz und die Geschichte des Weißen Rings nach wie vor eine zentrale Bedeutung. Bis er 1976 den Weißen Ring gründete, stand der Täter im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Die Opfer wurden häufig ignoriert, obwohl sie oft ihr Leben lang an der Tat leiden.
Ging es Zimmermann nicht auch vor allem um die Täter? Immerhin hatte er die Fahndungssendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ aufgebaut und nutzte dabei das Schicksal der Opfer, um auf die Gefährlichkeit der Täter hinzuweisen.
Opfern von Kriminalität zu helfen und neue Taten zu verhindern, ist kein Gegensatz. Für mich steht aber ganz die konkrete Hilfe für die Opfer im Vordergrund.
Immer wieder hört man vom Weißen Ring, dass die Bevölkerung vor „zweifelhaften Resozialisierungsmaßnahmen“ geschützt werden müsse. Halten auch Sie Vollzugslockerungen für Straftäter für ein Sicherheitsrisiko?
Es wäre ein fundamentaler Fehler, Resozialisierung klein zu schreiben, auch wenn es verhängnisvolle Rückschläge gibt. Resozialisierung soll vermeiden, dass Täter wieder straffällig werden und es deshalb neue Opfer gibt. Jeder einzelne Erfolg bei der oft mühevollen Resozialisierungsarbeit ist ungeheuer wertvoll, weil er neues Leid verhindert.
Sagen Sie das als sozialdemokratischer Rechtspolitiker oder auch als Vorsitzender des Weißen Rings?
Ich spreche hier auch für den Weißen Ring.
Was sind derzeit Ihre Hauptforderungen an die Politik?
Opfer sollen im Strafprozess häufiger einen Anwalt auf Staatskosten gestellt bekommen. Außerdem unterstützen wir massiv den Vorschlag der Justizministerin, dass zehn Prozent aller Geldstrafen an Opferschutzeinrichtungen gehen. INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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