: „Tickt für Taiwan“
Interview mit Professor Yan Xuetong, Direktor des Instituts für internationale Studien der Tsinghua-Uni
taz: Stellt die Verpflichtungserklärung des amerikanischen Präsidenten für Taiwan eine militärpolitische Wende in Asien dar, oder hat George Bush nur Altbekanntes wiederholt?
Yan Xuetong: Diesmal ist es ernst. Bush hat alles getan, um Chinas Annahmen über den Haufen zu werfen. Bisher ging nicht nur ich davon aus, dass es zwar auf einzelnen Gebieten neue militärische Spannungen zwischen den USA und China geben könnte, aber dass sich an der amerikanischen Kooperationspolitik mit China im Ganzen nichts ändern würde. Doch jetzt ist Bush auf einen eindeutigen Konfrontationskurs umgeschwenkt. Seine Äußerungen unterscheiden sich klar von allem, was amerikanische Präsidenten seit Richard Nixon in dieser Sache gesagt haben. Sogar der Vater, George Bush, hat sich öffentlich nie bereit erklärt, die Unabhängigkeit Taiwans zu verteidigen, die für China erklärtermaßen einen Casus Belli darstellt. So kann der neue US-Präsident keinem Chinesen mehr erklären, dass er ein Freund Chinas sei.
Dennoch hat sich auch George Bush jr. gegen die Unabhängigkeit Taiwans ausgesprochen. Sind das nun leere Worte?
Bush hat sich erst im Nachhinein gegen Taiwans Unabhängigkeit ausgesprochen, um seine eigentlich neue Botschaft zu vertuschen. Mir scheint seine Politik hingegen sehr klar zu sein. Sein Kopf tickt für die taiwanesische Unabhängigkeit. Wenn er wirklich wieder auf den alten Kurs wollte, müsste er die Waffenlieferungen an Taiwan reduzieren.
Sie haben früher gesagt, Taiwan würde uns zwar immer viel Ärger, aber nie einen Krieg bescheren. Stimmt das noch?
Es hat ein dramatischer Wechsel stattgefunden. Die Clinton-Administration handelte immer mit der Absicht, militärische Konflikte mit China zu vermeiden. Jetzt scheint es so, als bereite Bush diesen Konflikt vor.
Wie wird die chinesische Regierung reagieren?
Sie wird handeln müssen, anstatt nur rhetorischen Protest zu üben. Würde sie sich darauf beschränken, wäre das ein Freibrief für die härtere amerikanische Politik. Bush müsste dann denken, er könne sich mit Peking alles erlauben.
INTERVIEW: GEORG BLUME
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