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Kein Kalter Krieg

Deutschland und die EU wollen sich China warmhalten. Bushs forscher Vorstoß stört ihre Wirtschaftsinteressen

BERLIN taz ■ Nein, über China sprechen sie dieser Tage nicht gern in Berlin. Knapp fällt das Statement des Auswärtigen Amts zu Präsident Bushs Äußerungen aus: „Kein Kommentar.“ Knapp hatte Kanzlerberater Michael Steiner zuvor den USA beschieden, dass die Deutschen zur Hilfe beim Bau von U-Booten für Taiwan nicht bereit seien. Hinter der Zurückhaltung steckt die Ahnung, dass sich an Bushs Asienpolitik ein grundsätzlicher Streit zwischen Washington und Berlin entzünden könnte: Deutschland verfolgt in China andere Interessen als die neue US-Regierung.

„Die USA suchen sich einen neuen Gegner“, heißt es im Berliner Regierungsapparat, wo man sich besorgt fragt, ob die Amerikaner mit ihren jüngsten Schritten China bewusst als potenzielle Bedrohung aufbauen wollen. Die Bundesrepublik dagegen ist am Handel mit China interessiert – und weiß sich darin mit ihren Partnern in der EU einig. Nach den Transrapidpleiten in der Heimat richtet sich etwa die Hoffnung des Siemens-Konzerns auf China – und das Wohlwollen der dortigen Funktionäre. Von ihnen hängt es ab, ob nach der Teststrecke zum Flughafen von Shanghai auch die lukrative Verbindung von Shanghai nach Peking zustande kommt. „Welches Interesse sollten wir wohl an einer Eskalation mit China haben?“ lautet die rhetorische Frage in Berlin.

Zu erklären ist die relative Gleichgültigkeit der Deutschen gegenüber den amerikanischen Sorgen in der Region nur mit dem gewachsenen Selbstbewusstsein der EU. Seit sich die Europäer in der Außenpolitik immer enger abstimmen, ist der Schulterschluss mit den Amerikanern auch für die Bundesregierung keine Selbstverständlichkeit mehr. Ironischerweise bestätigen die EU-Staaten mit ihrem rigorosen Widerstand etwa gegen die US-Klimapolitik das Vorurteil der konservativen Administration in Washington: dass die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik letztlich den USA Konkurrenz macht. Exkanzler Helmut Schmidt hatte das schon bei einem Besuch im Dezember in Peking verkündet: „Europa beteiligt sich nicht an einem Kalten Krieg mit China.“

PATRIK SCHWARZ

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