Erbsensuppe und Freibier statt Fahnen und Kampflieder

■ Der 1. Mai ist der „Kampftag der Arbeiter“. Das hat so mancher DGB-Kreisverband anscheinend vergessen

„Bei der zunehmenden Verschlechterung der ArbeitnehmerInnenrechte müssten die Gewerkschaften sich eigentlich in harter Auseinandersetzung mit der Bremer Regierung befinden“, wütete der Landesvorstandssprecher der Grünen, Wolfram Sailer, schon vor Tagen angesichts der gemeinsamen Plakataktion von SPD und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) zum 1. Mai. Doch Sailer und alle anderen, die den DGB gerne als selbständige Interessenvertretung der ArbeitbnehmerInnen sehen würden, werden am „Tag der Arbeit“ in Bremen, insbesondere in Bremen Nord, eine herbe Enttäuschung hinnehmen müssen.

So entfällt in Vegesack zum Beispiel die traditionelle Demonstration. Und auch die Kundgebung scheint zu einer Farce zu verkommen. „Solchen Reden hört eh niemand mehr zu“, gesteht Helmut Rattai vom DGB Bremen Nord. Deswegen will man in Vegesack diesen Teil des Programms „möglichst kurz halten“. Nur einen einzigen Redner soll es geben: Henning Scherf, der wie immer alle begeistern will.

In anderen DGB-Gruppen lässt man dagegen keine Parteifritzen ans Mikro: „Wir haben eine eindeutige und unverrückbare Beschlusslage: Hier sprechen wir und keine Politiker“, sagt der Oldenburger DGB-Kreisvorsitzende Manfred Klöpper dazu.

Scherf dagegen will in Bremen-Nord ausgerechnet zum Thema „Betriebliche Mitbestimmung“ sprechen. Dass dessen Positionen zu diesem Thema als Chef einer Großen Koalition alles andere als deckungsgleich mit den Positionen der Gewerkschaften sind, stört die Organisatoren in Vegesack wenig. Auch nicht, dass Scherf die Zahl seiner Angestellten aufgrund des Roland-Berger Gutachtens auf einen „Kernbereich“ zusammen schrumpfen lassen will. Ganz anders sieht das Wolfram Sailer: Es gibt viele Personen, die bestimmt mehr zum Betriebsverfassungsgesetz zu sagen hätten als der SPD-Bürgermeister. „Von dem sind keine kritischen Töne zu erwarten“.

In Oldenburg gibt es zum 1. Mai keine Politikerreden, sondern „klare Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen“. Auch Äußerungen in Sachen „kein Recht auf Faulheit“ werden in Oldenburg eine klare Absage erhalten, denn „offensichtlich bezweckt Bundeskanzler Schröder mir dieser Debatte, wieder einen Niedriglohnsektor in Deutschland einzuführen“, so Klöpper. Doch die traditionelle Demo fällt diesmal aus. In den letzten Jahren seien doch nur „jämmerliche Karrikaturen“ von 400 Leuten auf die Straßen gegangen, klagt der DGB-Mann.

In der Bremer Innenstadt gilt dagegen: Erst die Arbeit (Demo, Kundgebung, Gewerkschafterreden), dann das Vergnügen. Ohne Bands und Bier geht hier nix mehr am 1. Mai. Zwar wolle man sich nicht ganz der „Eventkultur verschreiben“, so Helga Ziegert, Bremer DGB-Vorsitzende und SPD-Bügerschaftsabgeordnete. Doch auch hier werden die TeilnehmerInnen traditioneller Veranstaltungen weniger. Weswegen „Tanz in den Mai“ und ein buntes Programm für den 1. Mai immer wichtiger werden. PS