juttas neue welt: Grobmotorisch suchen
„Ein Ballet, bitte.“ Eigentlich neigt die Mitbewohnerin nicht zu Unverschämtheiten, doch was sie neulich in der Bäckerei einforderte, war doch etwas zu viel des Guten. Aber kein Wunder, dass sie statt eines französischen Weißbrots eine Arabeske auf der Backwarentheke von der armen Verkäuferin verlangte – war sie doch erst einige Stunden vorher in den Genuss eines neuen Ballettlehrers gekommen und seitdem völlig im Tanzrausch. Ein klassischer Freud’scher also.
Ähnlich viel versprechend und höhen- und tiefenpsychologisch deutbar war die Äußerung eines Freundes, bei dem ich mich beschwerte, dass wir uns während meines Berlin-Aufenthaltes zum 27. Mal in derselben Kneipe treffen mussten: „Man braucht eben seine Konstanzen im Leben.“ Soweit ich weiß, hat er noch nie eine Konstanze gehabt. Aber so sind Männer eben. Wahrscheinlich hatte er gerade in Ovids Buch der Liebeskunst gelesen, worin der Dichter vorschreibt: „Und sei im Versprechen nicht ängstlich, Versprechungen ziehen Mädchen an.“
Offensichtlich hat er das aber falsch verstanden. So gab’s auch schon mal Hühner von frei laufenden Eiern zum Frühstück. Aber ich darf nicht ungerecht sein, denn auch ich bin nicht schlecht im Versprechen. Kürzlich wollte ich aus meinem Herzen keine Bärengrube machen und konnte gleichzeitig nicht über meine Haut springen. Kaum setzt man ein kleines Wort falsch ein, schwinden die Sinne – oder es entstehen neue.
Ähnliche Bedeutungswandel vollziehen sich beim Surfen im Internet. Und zwar wenn man sich im Browser vertippt. So wollte ich einmal bei www.yahoo.com eine Suchanfrage aufgeben, war aber liederlich in der Eingabe und tölpelte “aahoo“ in das Adressfeld. Das „a“ liegt nämlich auf der Tastatur direkt über dem „y“. Diesen Tippfehler haben die Betreiber einer Website mit dem Namen „Sexnympho“ einkalkuliert und zerren die ahnungslose Userin auf ihren Schweinkram. Andere nahe liegende Vertipper wie „yahop“ oder „yahoi“ haben die Schlaumeier von Yahoo allerdings sicherheitshalber mit reserviert – hier wird die grobmotorische Internetbenutzerin einfach auf die eigene Seite umgeleitet. Auch Altavista hat an Tastaturisten wie mich gedacht und www.astavista.com in seinen Besitz gebracht. Bei der Eingabe von www.astalavista.com landete ich dagegen auf einer Hackerseite. Aber nicht nur im oberen Drittel des Bildschirms überraschen mich meine Tippfehlerleistungen regelmäßig mit hübschen Nebenbedeutungen – auch in den Suchmaschinen drin komme ich meistens auf meine Kosten, wenn ich die Returntaste betätige, ohne die überstürzte Eingabe noch einmal zu überprüfen. Neulich wollte ich die Band „Smashing Pimpkins“ im Netz besuchen – mit beachtlichen Ergebnissen, obwohl ich der Suchmaschine aus Versehen ein i für ein u vormachte. Da eben viele Seitenbetreiber nicht nur ihre Homepages, sondern auch ihre Vertipper pflegen, ging ich bei Suchanfragen wie Wischmachine, Speilplan und Lustpumpe niemals leer aus und kam zu lustigen Resultaten. Die mir zugegebenermaßen immer sehr viel Freude bereiteten.
Saitdem bun ihc beim Zippen absuchtlich sehr schlumpig gesorden. Und ich finde, wer auch bei der wörtlichen Rede etwas nachlässig und unkonzentriert ist, hat mehr Spaß im Leben. Allerdings muss man aufpassen: Wer sich zu oft verabschiedet, statt sich zu verabreden, steht irgendwann mal ohne Freunde da. Und wer im Buchladen fragt: „Haben Sie das als gebundenes oder auch als Taschentuch?“, der sollte froh sein, wenn er eins im Hosensäckel hat, um es der Buchhändlerin rüberzureichen. Damit die sich ihre Auslachtränen von der Wange wischen kann. JUTTA HEESS
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