Neue Schonfrist für Senegals Präsident

Abdoulaye Wade, der vor einem Jahr die herrschenden Sozialisten besiegte, hat nun auch eine Parlamentsmehrheit. Damit kann er zu regieren beginnen. Doch seine größenwahnsinnigen Projekte sind für den Senegal nur bedingt gut

BERLIN taz ■ Die Geduld der Senegalesen scheint unerschöpflich. Bei den Parlamentswahlen vom Sonntag haben die etwa 2,8 Millionen eingeschriebenen Wähler unter den neun Millionen Einwohnern des Landes ihrem Präsidenten Abdoulaye Wade eine absolute Mehrheit beschert. Damit kontrolliert Wade, der bei den Präsidentschaftswahlen im März 2000 schon den sozialistischen Präsidenten Abdou Diouf stürzte, nun auch die seit der Unabhängigkeit 1960 sozialistisch dominierte Legislative.

Nun also kann Wade, der am 29. Mai 75 Jahre alt wird, endlich seine Wahlversprechen einlösen und Senegal aus der Lethargie herausholen, in der es unter den verknöcherten Sozialisten versunken war. Das scheint die Hoffnung der Wähler zu sein, die Wades „Demokratischer Partei“ (PDS) etwa 53 Prozent der Stimmen gaben. Die Sozialisten bekamen etwa 16 Prozent, knapp vor einer Abspaltung der Sozialisten namens AFP (Allianz der Fortschrittlichen Kräfte).

Senegals kompliziertes Wahlrecht gibt der PDS aber eine sattere Mehrheit, als ihr vom Stimmenverhältnis her zustimmen würde. Nach dem gestern Nachmittag veröffentlichten vorläufigen Endergebnis gewann die PDS 62 der 65 Direktmandate, zu denen dann noch 28 der 55 gemäß dem prozentualen Stimmenverhältnis zu vergebenden Sitze kommen. Das macht 90 von 120 Sitzen für die PDS. Die AFP kriegt 11 Sitze, die Sozialisten 10.

Wades Sieg ist so deutlich, dass unabhängige Beobachter sich gestern wunderten. Eine „Schonfrist jenseits der Vernunft“ nannte ihn der Wade eigentlich wohl gesinnte Sud Quotidien und warnte in einem Kommentar mit dem Titel „Quo Wadis“ vor härteren Zeiten: „Der Verweis auf 40 Jahre sozialistischer Irrwege wird nicht mehr ziehen. Die Zeit der Ergebnisse ist gekommen, und es gibt viele dringliche Angelegenheiten.“

Die Erwartungen sind tatsächlich immens. Senegal, zu Kolonialzeiten das fortschrittlichste Territorium des französischen Teils von Afrika, ist nur noch ein Schatten seiner selbst, mit einer darniederliegenden Wirtschaft und einer demoralisierten Gesellschaft. Einst mit einigen der besten Schulen Westafrikas ausgestattet, hat es eine die Einschulungsquote von nur noch 43 Prozent, gegenüber dem afrikanischen Durchschnitt von 75 Prozent. Zwei Jahrzehnte Strukturanpassung haben Macht und Reichtum in den Händen einer Elite aus sozialistischen Parteibonzen und islamischen religiösen Führern konzentriert. Wade war vor einem Jahr angetreten, um diesen Klüngel aufzubrechen. „Sopi“ hieß seine Parole – „Wandel“.

Dass Wade auch zu den Parlamentswahlen mit der Parole „Wandel“ antrat, obwohl er seit mehr als einem Jahr selber an der Macht ist, zeigt die Unvollkommenheit des Wandels seiner eigenen Person. Von seinem Regierungsprogramm hat er bisher nichts umgesetzt. Vielleicht ist das auch ganz gut, denn das Programm strotzt vor größenwahnsinnigen Projekten im Stil der 70er-Jahre, die Senegal garantiert ruinieren würden. So soll der Flughafen der Hauptstadt Dakar dreimal so groß werden wie jetzt, der trockene Norden an der Grenze zu Mauretanien soll mit gigantischen Bewässerungsprojekten zum Blühen gebracht werden und Senegal soll eine Autoindustrie bekommen. Im April 2000 kündigte Wade den Bau eines Flughafens in Touba, der heiligen Stadt der senegalesischen Muslimbrüder, an. Der einzige Lichtblick ist, dass die im Januar per Referendum angenommene neue Verfassung Zwangshochzeiten verbietet und es Frauen erlaubt, Grundbesitz zu erben.

In seinem ersten Amtsjahr hat Wade regiert, als befände er sich immer noch im Kampf gegen eine feindliche Machtelite, mit juristischen Reibereien gegenüber mächtigen Staatskonzernen und ebenso zahlreichen wie demagogischen Forderungen an seine Minister, endlich einmal etwas für die Bürger zu tun. Der respektierte Linksoppositionelle Mamadou Dia, eine Art Kassandra der politischen Landschaft Senegals, warnte vor der Parlamentswahl, dem Land drohe unter Wade zwar kein Einparteienstaat, aber ein „Einpersonenstaat“. DOMINIC JOHNSON