Der loyale Generalist und die sture Taube

Zwei junge CDU-Abgeordnete buhlen um die Nachfolge für Fraktionschef Klaus Landowsky. Der eine, Frank Steffel, ist ein politischer Ziehsohn des großen Strippenziehers. Der andere, Alexander Kaczmarek, stünde für konsequentes Sparen und das Ende der Landowsky-Ära – und hat daher wenig Chancen

von ANDREAS SPANNBAUER

Frank Steffels letztes Wegstück zum Gipfel begann am 13. April des vergangenen Jahres. Damals eröffnete der Unternehmer die haushaltspolitische Generaldebatte im Abgeordnetenhaus; sein Mentor, CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, hatte Steffel den Vortritt gelassen. Das Nachwuchstalent bewährte sich und wurde schon damals, lange vor CDU-Spendenaffäre und Koalitionskrise, als möglicher Nachfolger für den Fraktionsvorsitz gehandelt. Doch auf ein paar Wochen mehr oder weniger bis zu seiner Inauguration kam es dem Kronprinzen Steffel nie an.

Für den 35-Jährigen war Loyalität zu Landowsky stets oberstes Gebot. Am kommenden Sonntag, wenn die CDU-Fraktion auf ihrer Klausurtagung im bayerischen Kloster Banz bei Coburg endlich die lang angekündigte Staffelübergabe an der Spitze einleiten will, könnte das Warten ein Ende haben. Im Kampf um die Führung hat der eloquente Steffel die entscheidenden Persönlichkeiten hinter sich. „Er ist einer von den Guten“, lobte Landowsky, mit dem Steffel nach eigenen Angaben ein „väterlich-freundschaftliches Verhältnis“ verbindet, den Unternehmer aus Reinickendorf noch im April. Gerade die durch den CDU-Fraktionschef ausgelöste Krise hat Steffel, Landowsky und den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen noch einmal zusammengeschweißt. Auch Diepgen macht kein Geheimnis daraus, dass er sich Steffel als Nachfolger wünscht.

Ein Vertrauen, das sich Steffel verdient hat: In den schwersten politischen Stunden informierte er Landowsky an dessen Hausbar über die neuesten Entwicklungen. Politisch liegt Steffel ganz auf der Linie seines voraussichtlichen Vorgängers: Wie Landowsky gilt Steffel als Generalist, der starke Worte sprechen kann; eine Eigenschaft, die ihm auch in seiner eigenen Partei nicht nur Freunde eingebracht hat. „Laxe Formulierungen nach Herz und Schnauze“ nennt der 1,88 Meter große Hoffnungsträger, der sich als „kumpelhaft und kommunikativ“ beschreibt, selbst seine Art der Wortwahl. In der Krise hat Steffel längst unter Beweis gestellt, dass er die Rhetorik von demonstrativem Machtanspruch und taktischem Formulierungsgeschick beherrscht. „Herr Schmitt fühlt sich überinterpretiert“, dichtete Steffel knapp, als der CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt einmal von der offiziellen Sprachregelung zum Rücktritt des Fraktionschefs abgewichen war. Das eine Signal lautete: Es gibt keine Probleme. Das andere: Wie eine Aussage zu interpretieren ist, bestimme ich.

Wie Landowsky tendiert Steffel zu einer Mischung aus Sozialpopulismus, etwa den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst, und der Forderung nach einem starken Staat, sprich: der Sorge um die Ausgaben für die innere Sicherheit. Und es gibt noch mehr Parallelen. Auch Steffel schätzt Geradlinigkeit, die sich in seiner politischen Biografie konsequent niederschlägt: 1982 Eintritt in die Junge Union, 1991, mit 23 Jahren, Wahl ins Abgeordnetenhaus, Vorsitzender des einflussreichen konservativen Kreisverbandes Reinickendorf, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Und nicht zuletzt: Auch Steffel setzt auf die finanzielle Unabhängigkeit von der Parteipolitik. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler mit USA-Erfahrung, der das Raumausstattungsunternehmen seiner Eltern mit 350 Angestellten leitet, hat bereits angekündigt, er werde sein berufliches Standbein in der Firma beibehalten. Böse Zungen behaupten, Steffel habe selbst die akkurat gescheitelte Frisur Landowskys in das neue Jahrtausend herübergerettet.

Gegner Steffels wie die Abgeordneten Uwe Lehmann-Brauns und Michael Braun fürchten, dass im Fall seiner Wahl in der Fraktion alles beim Alten bleiben könnte, ausgenommen ihre eigenen Posten. Für besonderen Ärger sorgt dabei, dass das Duo Diepgen/Landowsky den Kronprinzen auf dem Weg der Thronfolge an die Spitze bugsieren wollte, bevor in der Fraktion überhaupt ein erstes Wort über die Frage gefallen war. Auch beim Koalitionspartner SPD macht man keinen Hehl daraus, dass man es bevorzugen würde, wenn sich bei der CDU die liberalere und haushaltspolitisch strikte Linie, verkörpert durch Steffels Konkurrent Alexander Kaczmarek und Finanzsenator Peter Kurth, durchsetzen würde. „So ein kleiner Landowsky“, sagt SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit, der sich auch schon einmal den Witz über den „fliegenden Teppichhändler“ nicht verkneifen konnte, über Steffel. Ein sehr viel freundlicheres Lob wäre diesem wohl selbst nicht eingefallen.

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Außenseiter sind Menschen, die für Überraschungen gut sind. Im entscheidenden Augenblick zeigen sie Biss und erzwingen den Erfolg. Das ist im Fußball so und auch in der Politik. Alexander Kaczmarek besitzt solche Eigenschaften. Fraktionskollegen meinen, der 38 Jahre alte parlamentarische Geschäftsführer lasse diese Charakterzüge viel zu wenig aufblitzen, die im Gerangel um politische Führungspositionen von Nöten sind. Das ist richtig und falsch zugleich. Alexander Kaczmarek ist eben so. Und das macht ihn zum Außenseiter. Mit Chancen?

Richtig an der Behauptung ist, dass Kaczmarek im CDU-Parteigefüge nicht eben den starken Max markiert. Als er von CDU-Abgeordneten aus Neukölln und Steglitz zum Gegenspieler von Frank Steffel ins Spiel um die Nachfolge von Fraktionschef Klaus Landowdsky gebracht wird, hält er sich zurück: „Grundsätzlich gehören ja Kampfkandidaturen zum demokratischen Geschäft.“ Mal sehen, was daraus wird.

Wie ein Dementi klingt das nicht, aber auch nicht nach Angriff. Bei solchen Sätzen lächelt der meist in karierte Jacketts gekleidete Mann ganz freundlich. Verschmitzt könnte man auch sagen, denn Kaczmarek, der diplomierte Volkswirt aus Neukölln, seit 1994 CDU-Abgeordneter im Landtag, setzt auf seinen Charme in solchen Diskursen. Das klassische CDU-Parteimilieu, zu denen Herausforderer Frank Steffel gehört, legt bei solchen Gelegenheiten andere, vor allem härtere Bandagen an. Fraktionschefs waren Paten und Poltergeister. Kaczmarek wirkt da im Vergleich wie einWeichei. Na und?

Polemik ist Kaczmareks Sache nur bedingt. Als Vertreter der jungen liberalen CDU gehört er wie die Senatoren Peter Kurth oder Wolfgang Branoner zu den „Tauben“ in der Partei, die fleißig und sachorientiert agieren. Wie Kurth steht Kaczmarek für einen strikten Kurs in der Haushaltssanierung, den schon die frühere SPD-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing gefahren hat. Mit Kaczmarek als Fraktionschef wäre der Richtungswechsel der Berliner CDU nicht mehr zu stoppen. Diepgen hätte nicht nur einen Widersacher mehr, auch die Fraktion müsste sich vom „Lando-Zeitalter“ verabschieden.

Das um so mehr, als Kaczmarek in der Sache sich hart zeigen kann. Wo er sich festbeißt, fließt Blut. Fast stur verfolgt der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion den finanziellen Sanierungsfall Berlin. Fast inquisitorisch hat Kaczmarek sich etwa auf die explodierenden Kosten zur NS-Gedenkstätte Topographie des Terrors eingeschossen und den Baustopp mit verfügt.

Dass hier die Schuldenmacher nichts zu lachen haben, hat Bausenator Strieder (SPD) ebenso zu spüren bekommen wie der „so genannte“ Architekt Zumthor. Den will Kaczmarek „zur Rechenschaft ziehen“, wenn die Planung teurer würde. Und sowie so sei eine billigere Neuplanung besser. Da zeigt er die Zähne, die er hat. Aber reicht das?