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Spielraum für Zuwanderung

Für die künftige Zuwanderungspolitik der Bundesrepublik Deutschland ist ein Konzept erforderlich, das die Zuwanderung nach Deutschland begrenzt und im nationalen Interesse steuert, ohne dadurch die Wahrnehmung humanitärer Pflichten in Frage zu stellen. Die gleichzeitige Erreichung dieser Ziele scheint möglich, wenn im Bereich des Asylrechts der Missbrauch bekämpft, die Verfahren zügig durchgeführt und bei Wegfall der Aufenthaltsrechte die Rückführung konsequent umgesetzt wird. Die Aufnahme von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen darf grundsätzlich nur zeitlich begrenzt erfolgen. Eine europäische Lastenverteilung ist anzustreben. Für die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen und Armutswanderern ist kein Raum. Für die Bereiche der Spätaussiedler und der jüdischen Emigranten aus der ehemaligen UdSSR sind jährliche Kontingente festzusetzen. (...)

Insgesamt verbleiben damit Spielräume für die Aufnahme von Zuwanderern, die künftig gebraucht werden, um den Eintritt von Wohlstandsverlusten in Deutschland möglichst zu vermeiden. Dabei ist eine differenzierte Behandlung mit Blick auf das Qualifikationsniveau künftiger Zuwanderer geboten. Im Bereich gering qualifizierter Tätigkeiten kommen gegenwärtig allenfalls zeitlich befristete Arbeitserlaubnisse in Betracht. Im Bereich qualifizierter Fachkräfte sind unter Berücksichtigung des Vorrangs von Qualifikation und Ausbildung flexible, bedarfsorientierte Kontingente zuzulassen. Für Höchstqualifizierte müssen Sonderkontingente und attraktive Aufnahmebedingungen geschaffen werden. (...)

Zuwanderungsgesetz nötig

Regelungen der Zuwanderung und Integration sind im Moment auf zahlreiche Rechtsvorschriften in einem unverbundenem Nebeneinander verteilt. (...) Erforderlich ist ein Zuwanderungs- und Integrationsgesetz, das die einzelnen Bereiche der Zuwanderung, die Bedingungen der Gewährung von Aufenthaltsrechten und Arbeitserlaubnissen und die Grundfragen der Integration regelt. Das Gesetz umfasst damit sowohl die Fragen der Einwanderung, d. h. der Anwesenheit in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel dauerhaften oder zeitlich unbefristeten Aufenthalts, als auch die sonstigen, nur zeitlich befristeten Formen der Zuwanderung. Es geht aus von der Feststellung, dass es ein Recht auf Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nicht gibt. Zu unterscheiden ist zwischen limitierbarer und nicht limitierbarer Zuwanderung. Dabei ist die nicht limitierbare Zuwanderung auf das rechtlich vorgesehene Mindestmaß zu reduzieren. (...) Nicht limitierbar ist die Zuwanderung politisch Verfolgter, die vorübergehende Aufnahme von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen und die EU- Binnenwanderung. (...)

Die Gesamthöhe der festgesetzten Kontingente hat die Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen. Orientierungspunkt ist dabei die Stabilisierung der Gesamtbevölkerungszahl in der Bundesrepublik. (...) Angehörige künftiger EU-Beitrittsländer sind vorrangig zu berücksichtigen.

Im Unterschied zum geltenden Recht gilt das Prinzip der Durchlässigkeit. Wer als Zuwanderer nur über einen zeitlich befristeten Aufenthaltstitel verfügt, kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen in eine andere Zuwanderungskategorie wechseln und Daueraufenthaltsrechte erwerben. Damit wird die Möglichkeit eines flexiblen Umgangs mit langjährig in der Bundesrepublik Deutschland Aufhältigen eröffnet, deren dauerhafter Verbleib auch im eigenen nationalen Interesse liegen kann (z. B. in Unternehmen langjährig tätige Bürgerkriegsflüchtlinge, Studenten).

Recht auf Asyl

(...) Das Asylrecht bleibt gewährleistet. Wirklich politisch Verfolgten wird weiterhin Schutz und Aufnahme gewährt. In der Vergangenheit wurde das Asylrecht allerdings häufig als verdeckter Zuwanderungstatbestand missbraucht. Dem trug die Asylrechtsänderung von 1993 Rechnung. Diese hat sich bewährt und zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl ungerechtfertigter Asylbegehren in Deutschland geführt. Eine Rückkehr zur Regelung des Asylrechts in der Fassung vor dem 26. 05. 1993 kommt daher nicht in Betracht. (...)

Anerkennungsverfahren sind möglichst innerhalb eines Jahres rechtskräftig abzuschließen. Zu diesem Zweck soll der Klageweg generell auf eine Gerichtsinstanz beschränkt und das Einzelrichterprinzip durchgängig angewandt werden. Zu prüfen ist, in welchen Fällen die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln ausgesetzt werden kann. Notwendig sind vor allem Regelungen, die Verfahrensverlängerungen durch Folgeanträge ausschließen. (...)

Ein System selbständiger Beschwerdeausschüsse (französisches Modell) ist demgegenüber nicht zwingend zur Verfahrensbeschleunigung geeignet. Wird dieses System gerichtsförmig ausgestaltet, ergibt sich kein Beschleunigungseffekt. Geschieht dies nicht, erhebt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG und dem Gewaltenteilungsprinzip. Die Begrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß ohne die Schaffung neuer Einrichtungen erscheint demgegenüber vorzugswürdig. (...)

Familiennachzug

Hinsichtlich des Gesamtumfanges ist davon auszugehen, dass das Maß des gegenwärtig stattfindenden Familiennachzuges von Drittstaatlern nicht ausgeweitet werden soll. Dies setzt allerdings voraus, dass der Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zum Familiennachzug in der jetzt vorliegenden Form nicht in Kraft tritt.

Regeln der Arbeitsmigration

(...) Der vorhandene Bedarf an Fachkräften wird unter Beachtung des Vorrangs von Ausbildung und Qualifikation jährlich festgestellt. Dadurch entfällt die Notwendigkeit einer Subsidiaritätsprüfung im konkreten Einzelfall. Die Auswahl der betreffenden Personen erfolgt sodann auf der Basis eines Punktsystems, das nach Alter, Schulausbildung, Beruf, Sprachkenntnissen, Berufserfahrung, garantiertem Beschäftigungsangebot, bisheriger Berufstätigkeit in Deutschland und persönlicher Eignung differenziert. Einen Bonus erhalten Angehörige von EU-Beitrittsländern, Höchstqualifizierte, Investoren und Führungskräfte. In der Regel werden zunächst nur befristete Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse erteilt, allerdings mit der Perspektive dauerhafter Verlängerung bei unveränderten Arbeitsmarktbedingungen. Zu prüfen ist, ob und inwieweit Arbeitgeber, die von den Möglichkeiten der Arbeitsmigration Gebrauch machen, zu Ausbildungszusagen oder Beschäftigungsgarantien verpflichtet werden. Sonderregelungen gelten für Höchstqualifizierte (Wissenschaftler, Künstler, Sportler). Die Aufenthaltserlaubnis wird in diesen Fällen von Anfang an mit der Perspektive des Daueraufenthaltes erteilt. (...)

Die illegale Zuwanderung nach sowie der illegale Aufenthalt und die illegale Beschäftigung in Deutschland sind konsequent und intensiviert zu bekämpfen. (...)

Integration und Pflichten

Integration bedeutet nicht Assimilation. (...) Integration ist aber auch mit der Entstehung von Parallelgesellschaften unvereinbar. Eine multikulturelle Gesellschaft im Sinne eines dauerhaften, unverbundenen Nebeneinanders unterschiedlicher gesellschaftlicher oder ethnischer Gruppierungen ist nicht akzeptabel und führt zum Verlust des Zusammenhalts und der Identität einer Gesellschaft. (...) Grundlage des Zusammenlebens in Deutschland ist nicht multikulturelle Beliebigkeit, sondern die Werteordnung der christlich-abendländischen Kultur, die von Christentum, Judentum, antiker Philosophie, Humanismus, römischem Recht und Aufklärung geprägt wurde. Integration setzt voraus, dass diese Werteordnung akzeptiert wird. (...)

Für Menschen, die künftig mit der Perspektive dauerhaften Aufenthaltes in die Bundesrepublik Deutschland zuwandern, sollen in der Regel obligatorische Kurse als Hilfe für die erwünschte Integration angeboten werden: Inhaltlich sind diese Kurse nicht nur auf die Vermittlung der Grundkenntnisse der deutschen Sprache gerichtet. Daneben sollen auch die Grundzüge der deutschen Rechtsordnung, der deutschen Geschichte und der deutschen Kultur vermittelt und Hilfestellungen bei der gesellschaftlichen und beruflichen Orientierung angeboten werden. (...)

Das Angebot der Integrationskurse soll mit einem Anreizsystem verbunden werden. (...) Denkbar sind die zeitlich vorgezogene Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. der Aufenthaltsberechtigung, kürzere Einbürgerungsfristen oder die Verkürzung der Wartezeit für die Erteilung einer Arbeitsberechtigung bzw. die Gewährung von Ansprüchen auf berufliche Fortbildungsmaßnahmen. Gleichzeitig soll der Verstoß gegen die Teilnahmepflicht sanktioniert werden. Denkbar sind der Verlust des Anspruchs auf soziale Transferleistungen, die Verlängerung der Fristen für die Verbesserung des Aufenthaltsstatus, die Versagung der Aufenthaltsverlängerung oder Auflagen und Befristungen des Aufenthaltsstatus. Das Niederländische Modell sieht darüber hinaus in diesen Fällen die Möglichkeit der Anordnung von Geldstrafen vor. (...)

Verhältnis zum Islam

Der freiheitlich-pluralistische Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland ist zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet und respektiert die religiösen Überzeugungen seiner Bürger. (...) Der aufgeklärte Islam ist kein Integrationshindernis in der Bundesrepublik Deutschland. Islam und Islamismus dürfen nicht gleichgesetzt werden. Der Bau von Gotteshäusern und Begräbnisstätten ist entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zuzulassen. Auf der Basis des Grundgesetzes soll islamischer Religionsunterricht eingerichtet werden in deutscher Sprache, mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern und unter deutscher Schulaufsicht. Zu prüfen ist die Ausbildung von Lehrern und Geistlichen an eigenen theologischen Fakultäten in Deutschland.

Am Ende: Einbürgerung

Die Einbürgerung ist Ausdruck des Erfolges des Integrationsprozesses. Sie bildet daher den Endpunkt und steht nicht am Anfang der Integration. Dabei ist am Grundsatz der Vermeidung doppelter Staatsangehörigkeit festzuhalten.

Zwischenüberschriften von der Redaktion

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