: Hedonismus muss rocken
Vierzig Jungs in vierzig Nächten: Die kalifornische Frauenband The Donnas spielt im Maria am Ostbahnhof
Die Verfechter von Ernsthaftigkeit und heiligem Zorn im Reich der Fuzzbox machen es sich meist sehr leicht mit der kalifornischen Frauenband The Donnas. Wenn sie sie nicht von vornherein als belanglose Kichervariante von Bands L 7 oder Team Dresch bezeichnen, fällen sie in der Regel zweierlei Urteil:
1. Ramones für Mädchen. Das machen sie fest an der Girliefication ramonesker Charakteristika und deren teilweiser Umkehrung, als da wären:
a) simpler Bubblegum-Rock, der in minimalsten Abwandlungen jeden einzelnen Song prägt und vor einem Abdriften in experimentellere Gefilde bewahrt;
b) ein Faible für das lyrische Verarbeiten von Alltagssituationen und Absurditäten des amerikanischen Teenagerdaseins, sarkastisch und ehrlich zugleich;
c) die Pseudonymwahl der Musikerinnen – alle vier tragen den Vornamen Donna (zur Erinnerung: Die Ramones hießen alle Ramone mit Nachnamen).
2. Eine Neuauflage der Runaways. Nur dass die Donnas weder ihre Instrumente beherrschen noch ihre Songs selber schreiben. Stattdessen stellen sie lediglich ihre Gesichter und Körper zur Verfügung, während alle künstlerischen und konzeptionellen Fäden natürlich der Führung einer Männerhand bedürfen.
Diese Vorwürfe aus dem orthodoxen Kreis der Drei-Akkord-Apostel sind muffeliges und darüber hinaus alle Tatsachen verleugnendes Mackergenörgel. Das beweist nicht zuletzt die aktuelle und insgesamt vierte Veröffentlichung der Donnas, „The Donnas – Turn 21“. Nie waren die Donnas weniger Ramones und mehr Rock, nie war ihre eigene Handschrift unverkennbarer und das Songwriting abwechslungsreicher.
Diese vier Frauen, die tatsächlich parallel zum letzten Albumrelease die amerikanische Volljährigkeit erlangt haben, wollen einfach rocken. Es ist keine Wut, die sie antreibt, ihnen geht es nicht darum, irgendwelchen Feindbildern die Fresse zu polieren. Auch wollen sie nicht den ganzen Jungskram ihrer Szene einfach auf Mädchenart zurückschmeißen.
Es ist vielmehr Ausgelassenheit und die Freude an den hedonistischen Aspekten der Rockmusik. So nahmen sie anlässlich des Kiss-Tribut-Films „Detroit Rock City“ Splitsingles mit den alten Männern von Kiss auf; so covern sie einen Song der ausgewiesenen Testosteron-Poser Judas Priest: „Livin’ After Midnight“.
Statt gegen beispielsweise den Globalisierungstrend zu agitieren, besingen die Donnas viel lieber die „Hotpants“ einer verhassten Geschlechtsgenossin. Oder sie bilanzieren ihre Erfahrungen mit „40 Boys & 40 Nights“ – Ernsthaftigkeit ist Langeweile, Sorglosigkeit ist Party.
Zwei große und bislang unerfüllte Träume der Band sind übrigens die Realisation einer Cartoonserie, in der sie selbst die Hauptrolle spielen wollen. Damit ginge dann die Transformation zu Comicfiguren nach dem Muster ihrer Helden Kiss einher. Eskapismus? Yeah, yeah, yeah!
ULF IMWIEHE
So., 22 Uhr, live im Maria, Straße der Pariser Kommune 8–11, Friedrichshain
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen