piwik no script img

Opposition im Druck

Löwen kämpfen gegen die Nazidiktatur: Die Ladengalerie zeigt Grafiken, Radierungen und Gemälde des antifaschistischen Künstlers Hans Grundig

von MICHAEL NUNGESSER

Das Interesse der Ladengalerie am Werk von Hans Grundig hat 30 Jahre überdauert. Wie schon zum 70. und 80. Geburtstag des Künstlers, der am 19. Februar hundert Jahre alt geworden wäre, widmet sie ihm eine Hommage und zeigt rund 50 posthum gedruckte Radierungen sowie Linolschnitte, Zeichnungen und Gemälde. Das ist für eine Privatgalerie eine erstaunliche Leistung, bedenkt man, wie zögerlich die Ehrungen in Grundigs Geburtsstadt Dresden verlaufen. Die Gemäldegalerie stellte sein Triptychon „Das Tausendjährige Reich“ ins Zentrum einer Einraumausstellung (!), die Hochschule für bildende Künste, deren erster Rektor er nach dem Zweiten Weltkrieg war, folgt jetzt mit grafischen Arbeiten unter dem Titel „Schaffen im Verborgenen“. Grundig, der zu den bedeutendsten Malern der Neuen Sachlichkeit gehört, zählte in der DDR zu den Gründungsvätern antifaschistischer Kunst. Vielleicht erklärt das die Halbherzigkeit der institutionellen Erinnerungsprojekte, obwohl Grundigs Werk noch immer als gesamtdeutsches Erbe zu entdecken ist.

Hans Grundig brachte alle biografischen Voraussetzungen für einen sozialistischen Vorzeigekünstler mit: Als 25-Jähriger trat er in die Kommunistische Partei ein, 1930 war er Gründungsmitglied der Dresdener Gruppe der Assoziation revolutionärer bildender Künstler Deutschlands; 1934 dann Berufsverbot, 1938 zweite Verhaftung und Abtransport ins KZ Sachsenhausen, wo er bis Kriegsende einsaß. Total ausgebrannt, setzte Grundig trotzdem seine ganze Kraft in den Aufbau einer neuen Gesellschaft, starb aber 1958 an den Spätfolgen der Haft. Vor allem an der Aufarbeitung seiner schrecklichen Lagererfahrungen interessiert, fand Grundig in der DDR erst spät Anerkennung. Sein an altdeutscher Malerei und Verismus geschulter sozialkritischer, zugleich fantastischer Malstil baute auf eine flackernde Farbigkeit und stand somit im Widerspruch zu dem vom ZK geforderten Fassadenoptimismus.

Dagegen stehen die frühen Gemälde in der Ladengalerie – etwa „Jungenkammer“, „Schüler mit roter Mütze“, aber auch gezeichnete Porträts – für den anfangs noch naiven und zugleich herben Realismus Grundigs, mit dem er das Leben einfacher Leute in schweren Zeiten im Bild festhielt. Die für Flugblätter genutzten Linoldrucke wie „Streik“, „Selbstmord ist kein Ausweg“, „Textilarbeiterin“ und „Lernender Arbeiterjunge“ weisen harte Schwarzweißkontraste auf und wirken in ihrem expressiven Duktus anklagend. In den Skizzenbuchblättern von 1932 bis 1933 aus dem Café Zuntz zeigt sich dann Grundigs starke Neigung zu Karikatur und Satire, die sich in den Kaltnadelradierungen der Dreißigerjahre wiederfindet. Die Versionen der „Träume“ sowie „Liebespaar“ sind volle Erotik und Spuk, „Die Snobs“ oder „Irrgarten“ entwickeln auf dem Papier eine groteske Dynamik. der Linien und Figuren.

In den Radierungen rechnet Grundig mit der Nazidiktatur ab. Die Grafiken verbreiten durch ihre dichten, dynamischen Strichlagen eine dramatische und hektische Unruhe. Neben „Trommler“ und „Die Gestapo war da“ stehen vor allem Blätter mit Tiermetaphern: Verführte als streitende Esel und suhlende Schweine, der „Imperialismus“ als blutiges Gemetzel wilder Bestien, von Wölfen gehetzte Pferde als Opfer der Barbarei. Zwei stolz erhobene Löwen formieren sich als „Widerstand“, zu dessen bedeutendsten Zeugnissen in Deutschland Grundigs Werke mit Sicherheit gehören.

Bis 28. 6., Di.–Do., 10–18.30 Uhr (und nach Vereinbarung), Ladengalerie, Brunnenstraße 5

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen