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Das Buch zum Krieg

Ein französischer General enthüllt offene Geheimnisse über den Algerienkrieg und löst trotzdem Empörung aus

PARIS taz ■ „Horrifié“, sei er, sagt Staatschef Jacques Chirac. Und die komplette „politische Klasse“ Frankreichs ruft nach „Konsequenzen“ – auch wenn das, je nach Alter und politischem Lager, Unterschiedliches bedeutet.

Ausgelöst hat die Empörung, die gestern durch Paris ging, das Buch eines einäugigen alten Mannes. In „Services Spéciaux, Algérie 1955–1957“ beschreibt der 83-jährige Paul Aussaresses, General im Ruhestand und Träger der höchsten Orden der französischen Republik, seine Rolle an der Spitze der Todesschwadronen im Algerienkrieg. Er bekennt, dass er persönlich gefoltert, gemordet und Selbstmorde inszeniert hat. „Ohne Reue“, wie er im Gespräch mit französischen Journalisten versichert, „denn alle diese Typen hatten Blut an den Händen.“ Aussaresses, der in Algerien Kommandant an der Spitze des französischen „militärischen Nachrichtendienstes“ war, erklärt in dem Buch auch, dass die Folter von der damaligen sozialistischen Regierung in Paris „toleriert, wenn nicht empfohlen“ war.

Der General im Ruhestand übernimmt zudem die Verantwortung für die Ermordung von zwei zentralen Figuren der „nationalen Befreiungsbewegung“ FLN, die damals gegen die französischen Kolonisatoren kämpften: des Anwalts Ali Boumendjel und des FLN-Chefs von Algier, Larbi Ben M’Hidi. Das ist neu – nach der bisherigen offiziellen Version hatten sich beide Männer selbst das Leben genommen.

Angehörige von Opfern verlangen nun die ganze Wahrheit. Auch einige Mitglieder der „Gruppe der 12“, die im vergangenen Herbst in der Zeitung Humanité den französischen Staat aufgefordert hatte, endlich zuzugeben, dass im Algerienkrieg „systematisch gefoltert wurde“, fordern juristische Konsequenzen. Die wesentlichen Aussagen aus Aussaresses’ Buch sind in Frankreich seit Jahrzehnten bekannt. Doch verfolgt wurden die verantwortlichen Militärs nie. Seit dem Jahr 1968 sind sie durch eine Generalamnestie geschützt.

Noch zum Jahreswechsel lehnte der sozialistische Premierminister Lionel Jospin es ab, eine parlamentarische Untersuchungskommission zur Folter im Algerienkrieg einzurichten. Gestern zeigten sowohl er als auch der gaullistische Präsident eine gewisse Bereitschaft, einen Schritt weiter zu gehen: Jacques Chirac sprach von disziplinarischen Maßnahmen.

DOROTHEA HAHN

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