: Nächtelang im Streifenwagen
■ Der Film „Die Polizistin“ will ganz nah an Polizeiarbeit ran. Der Regisseur Andreas Dresen im Interview
Seit seinem Spielfilmdebüt 1992 mit Stilles Land konnte der 1963 in Gera geborene Andreas Dresen im Fernsehen wie im Kino regelmäßig überzeugen. Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören Mein unbekannter Ehemann (1994), Raus aus der Haut (1997) und der Episodenfilm Nachtgestalten. Der vom WDR produzierte Die Polizistin lief im Herbst 2000 bereits in der ARD zur besten Sendezeit und erreichte sensationelle 3,8 Millionen Zuschauer. Nun kommt mit Dresens Director's Cut die 7 Minuten längere Fassung in die Kinos.
taz hamburg: Die Polizistin ist eine WDR-Produktion und spielt in Rostock. Das ist doch eher ungewöhnlich?
Andreas Dresen: Das Drehbuch lief durch mehrere Sendeanstalten, eine davon war der NDR, dadurch kam das Projekt nach Rostock. Das war für meine Autorin Laila Stieler und mich sehr reizvoll, weil die Geschichte einen neuen Dreh bekam und in diesem Neubaugebiet spielte. Später wollte der NDR diesen Film nicht mehr. Die Chefetage hielt ihn nicht für „Primetime-tauglich“. Danach vagabundierte das Buch durch mehrere Sendeanstalten und landete glücklicherweise beim WDR. Wir mussten das Stück auch nicht auf Köln oder Essen umschreiben.
Das Drehbuch basiert auf dem Tagebuch der Polizistin Annegret Held. Was hat Sie daran so fasziniert?
Laila Stieler und ich waren ganz überrascht, mit wieviel Genauigkeit Held ihre Erlebnisse als Streifenpolizistin aufschrieb. Solch einen Blick auf Wirklichkeit hatten wir nicht erwartet. Das veränderte unser Bild von Polizei. Bis dahin hatten wir – wie die meisten – nur in Frustsituationen wie bei Demos oder Verkehrskontrollen mit Polizisten zu tun. An welcher Schnittstelle Polizisten sich befinden, wie sie einerseits der verlängerte Arm des Staates sind, aber privat ganz anders über ihr Tun empfinden, das wollten wir anhand einer jungen Polizis-tin erzählen. Wichtig war auch, das gesellschaftliche Klischee von Polizeiarbeit aufzubrechen.
Haben Sie bei der Recherche Polizisten auf Streife be-obachtet?
Mit meiner Autorin Laila Stieler habe ich nächtelang in Streifenwagen zugebracht. Erst im Berliner Prenzlauer Berg und dann später natürlich auch in Rostock. Polizisten haben dauernd mit dem sozialen Elend unserer Welt zu tun, sind mit den schlimmsten Dingen konfrontiert und müssen damit irgendwie umgehen, es privat kompensieren. Was mich überraschte, war mit wieviel Souveränität und Humor Polizisten damit umgehen. Da entsteht so ein lakonischer Witz, der zum Teil natürlich auch Selbstschutz ist, sonst ist es nicht mehr erträglich.Die Polizistin ist vom Erzählerischen und Ästhetischen her, nahe an den Dogma-Filmen und konsequenter als Nachtgestalten ...
Ich wollte weiter gehen, als bei Nachtgestalten. Wenn man so nach und nach seine Hilfsmittel als Regisseur weglässt, wird einem bewusst, was sie in der Filmsprache bedeuten. So frevelt man oft mit Filmmusik. Wir haben versucht völlig ohne Musik auszukommen. Oft wird ja Filmmusik im nachhinein dazu benutzt, rhythmisch, schwächere Stellen zu kaschieren. Für mich war das eine enorme He-rausforderung, auf Musik zu verzichten. Man muss viel mehr mit der Geräuschebene arbeiten oder sich andere Dinge einfallen lassen.
Finden Sie es schade, dass der Film erst nach der Ausstrahlung im Fernsehen in die Kinos kommt?
Letztendlich kann ich nur begrenzt sauer darüber sein, denn der Sender, der den Film bezahlt, möchte ihn auch ausstrahlen. Alles andere ist die Bonusrunde und der WDR ist uns entgegengekommen, indem er auf Wiederholungen vorerst verzichtete. Dass Die Polizistin doch noch ins Kino kommt ist dem Engagement von Filmliebhabern vom Verleih Piffl Medien und den Kinobetreibern zu verdanken. Wir sind nicht mehr bei geplanten drei oder vier Kopien, sondern schon bei zwölf. Ich bin glücklich, dass es solche mutigen Leute in der Branche gibt.
Interview: Jörg Taszman
Premiere: heute, 20 Uhr, Abaton; Filmstart kommenden Donnerstag
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen