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Gänse klein

Durchwachsene Bilanz für „Ringelganstage“ auf den Halligen: Weniger Vögel, aber immer mehr Touristen  ■ Von Sven-Michael Veit

„Leider“, sagt Klaus Günther, „sind es wieder ein paar weniger geworden.“ Rund 70.000 Ringelgänse haben Naturschützer wie der Ornithologe des Husumer WWF-Büros am Wochenende im schleswig-holsteinischen Wattenmeer gezählt. Gut 10.000 weniger der prachtvollen dunkelgefiederten Gänse mit dem charakteristischen weißen Halsring als in den Vorjahren. Weit entfernt von den Zahlen jenseits der Hunderttausend, die noch Anfang der 90-er Jahre üblich waren. „Vielleicht“, hofft Günther, „sind ja mehr als sonst im dänischen, niedersächsischen und niederländischen Teil des Wattenmeeres“. Deren Ergebnisse lägen aber noch nicht vor.

Mit zeitgleichen „Synchronzählungen“ auf den Halligen, Inseln und Deichvorlanden an der Nordseeküste versuchen Umweltschützer sich den Überblick zu verschaffen über den Bestand an Ringel-gänsen, die vor 50 Jahren noch vom Aussterben bedroht waren. Der zwischenzeitliche Anstieg der Population auf fast eine Viertelmillion Vögel gilt „als eine Erfolgsgeschichte des Naturschutzes“ im Norden. Denn sie wurde nicht zuletzt möglich durch weitreichende trilaterale Schutzmaßnahmen in den Wattenmeer-Nationalpark von Esbjergs bis zum Ijsselmeer, „der größten Vogelraststätte Europas“, in der die Gänse sich jedes Frühjahr auf den Salzwiesen satt fressen für den 4000 Kilometer langen Flug in die Brutgebiete am Eismeer.

Der jetzige Rückgang wird vor allem auf natürliche Faktoren zurückgeführt. Drei harte und lange Winter in Sibirien verschlechterten die dortigen Brutbedingungen, zudem war voriges Jahr wieder ein noch immer nicht ganz geklärtes Phänomen zu beobachten: Der Zug der Lemminge. Das Zusammenbrechen der Population dieser Nager hat für die Gänse katastrophale Folgen: Die hungrigen Polarfüchse halten sich an ihre Eier und Küken. „Aus der vorigen Brutsaison“, weiß Günther, „hat praktisch kein Jungtier überlebt.“

Dennoch ziehen WWF und Nationalpark Service eine positive Bilanz der 4. Ringelganstage auf den nordfriesischen Halligen, die am Sonntag zu Ende gingen. Mit dieser Veranstaltungswoche soll das Naturphänomen des Vogelzugs zur Attraktion für BesucherInnen gemacht werden. Das zumindest scheint zu klappen, denn auf den Halligen waren alle Zimmer ausgebucht. Werden die Gänse auch weniger, die Touristen werden immer mehr.

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