piwik no script img

Chemie stimmt nicht

■ Philips droht IG Metall mit Tarifflucht und unterstellt sich der Chemieindustrie

Der Strategie der Gewerkschaften, durch Fusionen und Konzentration die Organisations- und Kampfkraft zu bündeln, setzen offensichtlich mächtigte Industrieunternehmen ihre eigene entgegen: Tarifflucht durch Branchenwechel. So hat der Konzern „Philips Semiconductors“ angekündigt, den Unternehmerverband der Metall- und Elektroindustrie zum 1. Juli zu verlassen und sich den Tarifnormen der Chemieindustrie zu unterwerfen. Damit schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Es gelten schlechtere Arbeitsbedingungen und mit der eher sozialpartnerschaftlichen IG Chemie wäre der Klotz IG Metall vom Bein.

Begründet wird der Branchenwechel mit den angeblich flexibleren Arbeitszeitregelungen in der Chemiebranche. Doch das eigentliche Ziel des Philips-Management ist offenkundig: Nach den geltenden Tarifverträgen der Chemieindustrie müsste jeder Arbeitnehmer fortan offiziell 2,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten – obwohl bereits jetzt rund um die Uhr malocht wird und die Anlagen ausgelastet sind. Zudem müsste bei Neueinstellungen 500 Mark weniger Lohn bezahlt werden. „2300 Beschäftigte sind von den Plänen betroffen“, sagt IG Metall Küste-Sprecher Peter Halawaty.

Die IG Metall wird den Tarifflucht-Coup nicht widerstandslos hinnehmen, auch wenn die gültigen Metall-Tarifverträge noch für einige Zeit Gültigkeit haben. „Philips stört damit den Betriebsfrieden und versucht, die Belegschaft über den Tisch zu ziehen“, schimpft IG Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller und kündigt unverzügliche Haustarifvertrags-Verhandlungen an. Denn schnell könnten auch Jobs zur Disposition stehen. „Durch die Arbeitszeitverlängerung wird die Kapazität rechnerisch um 110 Personen erhöht“, mahnt Betriebsratschef Frans Meijer, „das kann schnell zu Entlassungen führen.“

Aber auch aus einem anderen Grund geht es für die IG Metall ans Eingemachte. Sollten derartige Formen der Tarifflucht Schule machen, wäre Mitgliedschwund vorprogrammiert. Allein durch diesen Coup könnten mehrere hundert Mitglieder verloren gehen und die IG Chemie Nutznießer werden. Halawaty: „Die lässt die Finger davon und hat kein Intertesse signalisiert – es gibt ja schließlich Vereinbarungen.“ Magda Schneider

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen