: Gottes Schallplatten
Der italienische Schriftsteller Stefano Benni liest aus seinem neuen Roman „Geister“
Am 8. Dezember 1980 packt Gott seine Schallplattensammlung in einen Koffer und geht. Nach der Ermordung John Lennons übergibt er mit den Worten „Adesso basta“ sein Amt an die Welt der Geister, welche fortan mit dem Schicksal der Menschheit spielen. „Geister“ heißt denn auch der im Frühjahr im Verlag Wagenbach erschienene Roman von Stefano Benni – „Spiriti“ im Original.
Die Einordnung des 54-jährigen Autors, der in Bologna zu Hause ist, ist nicht ganz leicht. Mit seinem jüngsten Werk präsentiert Benni einen literarischen Genremix, wobei der Leser an seinen 1983 erschienenen Science-Fiction-Roman „Terra!“ ebenso erinnert wird wie an die Mediensatire „Baol“. In „Geister“, einer Odyssee durch die Lieb- und Machenschaften im 21. Jahrhundert, tummeln sich neben Elvis auch der Hund Baywatch, Pussy Pussinger oder der gesichtsoperierte Rockstar Michael Teflon. Wenn also sämtliche Register der Popkultur gezogen werden, könnte dies an die „Letteratura Pulp“ erinnern, an Niccolò Ammaniti, Isabella Santacroce und andere jüngere Kollegen, denen Mitte der Neunziger das Ettikett der „cannibali“ übergestülpt wurde.
Neben dem Popliteraten gibt es allerdings noch den bissigen Politsatiriker Benni: In der Weißen Villa sind „polyglottes Stöhnen“ und „halbherzige Blowjobs“ taktgebend, und auch für den „americardischen Präsidenten“ und Lustmolch John Morton Max stellt neben Korruptionsgeldern vor allem die dralle, lilaäugige Praktikantin Melinda die zarteste Versuchung dar. Zum zehnjährigen Jubiläum des Gerechten Krieges organisiert man ein Megakonzert auf einer Insel, was wie von Geisterhand in Katastrophen und Endzeitstimmung mündet: Spätestens damit betritt der Schriftsteller beinahe als gepflegter Anarchist die Bühne und wird zum apokalyptischen Märchenerzähler.
Im Zeitalter der Spaßkultur spielt auch Stefano Benni gerne mal als Wortakrobat mit Sprachzerfall, Jugendjargon und Nonsens. Wenn dennoch heftigst am Wertesystem gerüttelt und Kritik an Turbokapitalismus und Korruptionspolitik geübt wird, dann allerdings nicht aus einer moralisierenden Position heraus, sondern vielmehr unter dem Deckmantel der Ironie. „Geister“ ist umso aktueller, als etwa die namensträchtigen Figuren Berlanga und Rutalini an den bevorstehenden 13. Mai denken lassen – dann nämlich wird Italien zu den Wahlurnen gebeten. Ein Statement dazu wird Politsatiriker Benni heute mit Sicherheit abgeben. Im Übrigen bemalt er Autogramme gerne mit dem jeweils gewünschten Lieblingstier. So wird man ihn wohl auch in der Schaubühne so manchen Papagei, Dinosaurier oder Zwergpudel zeichnen sehen. Nur Pferden verweigert er sich strikt.
SUSE VETTERLEIN
Stefano Benni liest heute um 23 Uhr zusammen mit seinem Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel. Schaubühne am Lehniner Platz, Kurfürstendamm 153, Wilmersdorf
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