: Der türkische Konsul nimmt nichts an
Delegation mit Entschließung zum Hungerstreik steht vor verschlossener Tür ■ Von Kai von Appen
Das türkische Regime hat gegen Einmischung in innere Angelegenheiten in der Regel nichts einzuwenden, wenn dabei Waffenlieferungen herausspringen oder Finanzhilfen fließen. Aber sobald auf die Einhaltung der Menschenrechte gepocht wird, reagiert der Bosporusstaat äußerst empfindlich. Aus diesem Grund scheiterte ges-tern der Versuch der Bürgerschaftsgruppe Regenbogen sowie Ärzten und Rechtsanwälten, im türkischen Konsulat eine Protesterklärung zum Hungerstreik in den türkischen Gefängnissen abzugeben, schon an der Pforte des von Polizei gesicherten Backsteingebäudes in Harvestehude.
Schon im Vorweg hatte der Sicherheitschef via Polizei mitteilen lassen, dass Konsul Kasif Eryalcin „keine Vertreter empfängt und auch nichts entgegennimmt“. Selbst als der Abgeordnete Lutz Jobs und Rechtsanwalt Björn Stehn die Petition vor den Augen von 50 Unterstützer nur vor dem Eingang ablegen wollten, herrschte Hysterie auf dem Konsulatsgelände. Falls die Polizei nicht unverzüglich einschreite, drohte der Sicherheitsmann, werde er den Staatschutz holen.
„Wir wollten mit der Aktion türkische Einrichtungen in Hamburg darüber informieren, was wir vom Verhalten der Türkei halten“, so eine Sprecherin des deutschen Solidaritäts-Komitees zur Untersützung des Hungerstreiks. Es hatte bereits Ende April eine Anzeige veröffentlicht, in der Hamburger Institutionen, Unternehmen und Verbände gegen die Politik der Türkei protestierten.
Seit Oktober befinden sich hunderte politischer Gefangene und Angehörige im unbefristeten Hungerstreik, der mittlerweile das Stadium des Todesfastens erreicht hat. Er richtet sich gegen die Isolierung von anderen Inhaftierten durch Verbannung in neue Hochsicherheitstrakte des so genannten „F-Typs“, wo Folterungen und Miss-handlungen ohne Zeugen möglicht sind. Bei dem seit 200 Tagen andauernden Todesfasten sind bereits 22 Gefangene oder Angehörige gestorben, weitere 28 Menschen kamen beim Sturm der Gefängnisse ums Leben.
„Es kann nicht angehen, dass der Hungerstreik durch die Türkei totgeschwiegen wird“, empörte sich Anwalt Björn Stehn. Trotz der Gefahr, dass täglich weitere Menschen sterben, gebe es bislang keine Anzeichen dafür, dass das Re-gime Zugeständnisse machen könne. Vielmehr ist es verstärkt bemüht, durch Zwangsernäherung den Widerstand der Hungerstrei-kenden zu brechen, was zu irreparablen Gesundheitsschädigungen führt. Stehn: „Wir wollen, dass es zu Geprächen kommt, damit die Eskalation einen Schritt zurückgenommen wird.“
Demselben Anliegen dient auch die parlamentarische Regenbogen-Initiative. In einem interfraktionellen Antrag werden heute Regenbogen, Grüne und Sozialdemokraten eine Resolution in die Bürgerschaft einbringen, in der die Forderungen des Europäischen Parlaments bekräftigt werden. Dieses hatte den Einsatz von Folter verurteilt und von der Türkei die „Achtung der Menschenrechte“ eingeklagt.
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