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Siedler drohen mit Vergeltung

Im Westjordanland werden die Leichen von zwei Jugendlichen gefunden. Sie wurden bei einem Ausflug in der Nähe ihrer Siedlung zu Tode gesteinigt. Aufgebrachte Demonstranten sind enttäuscht von Scharon und fordern den Tod von Arafat

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

In einer Höhle südwestlich von Bethlehem sind gestern früh die Leichen von zwei 14-jährigen Israelis gefunden worden. Die beiden Jugendlichen waren am Vortag zu einem Ausflug in der Umgebung der Siedlung Tekoa aufgebrochen. Ersten Untersuchungsergebnissen zufolge wurden sie vermutlich von mehreren Angreifern in der Nacht zu Tode gesteinigt.

Israels Premierminister Ariel Scharon nannte den Mord an den beiden Jungen eine „weitere Eskalation des Terrors und der Angriffe auf unschuldige Zivilisten“. Scharon forderte Palästinenserpräsident Jassir Arafat auf, die Hetze in den palästinensischen Medien einzudämmen. Der palästinensische Minister für Lokalverwaltungen, Saeb Erikat, verurteilte jede Tötung von Zivilisten. Erikat forderte eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, was die israelische Regierung jedoch ablehnt.

Die beiden Jugendlichen waren ohne vorherige Absprache mit den Sicherheitsdiensten aufgebrochen. Im Gespräch mit dem israelischen Rundfunk erklärten Mitschüler, die beiden vor dem Ausflug gewarnt zu haben. Militärinformationen zufolge handelt es sich bei dem Mord nicht um ein geplantes Attentat. Die Angreifer haben aller Wahrscheinlichkeit nach spontan gehandelt. Einer der beiden Jungen war US-amerikanischer Staatsbürger. Martin Indyk, US-Botschafter in Tel Aviv, verurteilte den Doppelmord scharf. „Es geht nicht an, dass Kinder Opfer von politischen Auseinandersetzungen werden“, meinte Indyk.

Von Seiten jüdischer Siedler wurde unterdessen die Drohung laut, den Doppelmord zu vergelten. Ihre „Geduld sei zu Ende“ warnten die Siedler, die erst am Vortag den Mord an einem Wachmann in der Siedlung Itamar zu beklagen hatten. In Hebron kam es bereits gestern zu Übergriffen von Siedlern gegen ihre benachbarten Palästinenser. Noam Arnon, Sprecher der Siedlung, erklärte dazu, dass die einzige Antwort auf einen Mord die Errichtung einer neuen Siedlung sein könne.

Der Rat der „Jescha“ (Initialwort für Westjordanland und Gaza-Streifen) appellierte an den Regierungschef, „die Tatsache zu erkennen, dass Arafat kein Partner für politische Verhandlungen ist“. Solange Israel die palästinensische Autonomiebehörde unter der Führung Arafats anerkenne, statt sie „als größte Terrororganisation der Welt zu definieren, die es gilt, zum Zusammenbruch zu bringen, werden Unschuldige dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Bereits am Vorabend hatten jüdische Siedler zum ersten Mal seit der Regierungswende eine Demonstration gegen Ariel Scharon veranstaltet. Unter dem neuen Slogan „Scharon – hat versprochen, aber nicht gehalten“ kamen hunderte Siedler zusammen. Im Verlauf der Demonstration wurde auch die Forderung nach der Exekution Arafats laut.

Die Option, die palästinensische Verwaltung zum Zusammenbruch zu bringen, wurde bereits in den Reihen der Regierung diskutiert. Eifrigster Verfechter für einen erneuten Einmarsch in die palästinensischen Autonomiegebiete ist Avigdor Liebermann, Minister für Nationale Infrastruktur. Er würde am liebsten „die Infrastruktur der Terrororganisationen“ zerstören, so der Sprecher des Ministeriums. Israel habe seine Feinde „bis in die letzten Winkel der Welt verfolgt“, nun mache die Armee wenige Meter vor dem Ziel halt. Rückendeckung genießt Liebermann bei Expremierminister Benjamin Netanjahu, der in einem Interview mit der auflagenstärksten Tageszeitung Yediot Achronot am vergangenen Wochenende dazu aufrief, militärisch gegen die palästinensische Führung vorzugehen. „Politische Führer waren nie ein Angriffsziel für uns“, weist hingegen Scharon die Möglichkeit eines geplanten Mordanschlags auf Jassir Arafat von sich.

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