: Die große Versuchung
Akademie der Künste schließt Reihe der Schlossplatz-Debatten ab. Appell an Expertenkommission, sich „Gegenpositionen“ und nicht nur Bildern zur Rekonstruktion des barocken Schlosses zu öffnen
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Eine lang anhaltende Diskussion ist noch kein Garant für vielfältige Perspektiven. Obwohl seit 10 Jahren über die zukünftige Gestaltung des Schlossplatzes debattiert wird, dominieren im Wesentlichen nur zwei Vorstellungen die Imagination: zum einen der leere Platz mit dem Palast der Republik und zum anderen ein wieder aufgebautes, barockes Stadtschloss. Anderes bleibt sekundär: moderne Planungen, die Idee für einen Central-Park oder eine Collage aus Alt und Neu.
Die Dominanz der herrschenden Bilder beunruhigt auch Thomas Krüger (SPD), Exbundestagsabgeordneter und heute Mitglied der internationalen Schlossplatz-Kommission. „Jeder von uns kennt die Vorstellungen für die Eins-zu-eins-Rekonstruktion, aber harte Gegenpositionen fehlen“. Und mit Blick auf die Kommission fügt Krüger hinzu, erst wenn „Schloss-Alternativen“ in der Öffentlichkeit präsent seien und debattiert würden, bestehe die Chance einer klaren Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeit – auch für die „Kommission Historische Mitte Berlin“.
Krügers Defizitkritik und die Aufforderung zu „Gegenpositionen“ fiel am Donnerstagabend in der Akademie der Künste, die zum dritten Mal zu einem Stadtschloss-Symposion eingeladen hatte, nur zum Teil auf fruchtbaren Boden. Zwar waren sich die Referenten einig, dass der „Versuchung, die Innenstadt mit einem Schloss aufzubauen“ (György Konrad) widerstanden werden müsse. Was anstelle dessen dort Gestalt annehmen sollte, blieb aber unkonkret.
Am weitesten auf Krügers Forderung zu bewegte sich noch der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt. Statt den Ort mit einer „Simulation des Originals“ und mit einem schlossartigen „Bollwerk“ zu rekonstruieren, verlange der bestehende Stadtraum zwischen Alexanderplatz und Friedrichstadt nach einer neuen Interpretation. Bauliche Symbole der Bürgergesellschaft verdichteten sich heute nicht mehr in einem zentralen monofunktionalen Gebäude wie zu Kaisers Zeiten, sondern in differenzierten Nutzungen und unterschiedlichen Architekturen.
Mit einer „durchlässigen Mitte“ verschiedenster Bauten oder eines Ensembles könne ein neuer Zusammenhang zwischen Alexanderplatz und Friedrichstadt hergestellt werden, so Pehnt. „Nicht Akropolis, sondern Polis“ müsse dort gestaltet werden. Pehnt widersprach damit auch den Plänen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den Schlossplatz mit einem Museum „zu vereinnahmen“, das den Verlust der historischen Mitte nur mehr reproduziert.
Ein Plädoyer für die Gestaltung eines Bauwerks des 21. Jahrhunderts hielt auch die renommierte französische Kunsthistorikerin Françoise Choay. Ein wieder errichteter Schlossbau sei nicht nur „schamlos anachronistisch und teuer“, sondern genüge nicht den Anforderungen „lebendiger“ Geschichte. „Wir sind nicht mehr im 19. Jahrhundert“, so Choay, „sondern in der Zeit der Globalisierung.“ Berlin müsse aus unserer Epoche ein „Kulturerbe“ errichten, in dem zwar fragmentarisch – etwa im Volumen oder in den Details – „die Spuren der Vergangenheit erlebbar blieben. Die Architektursprache des 21. Jahrhunderts müsse jedoch deutlich werden und der „Wandel der Zeit“ vorherrschen.
Dass man sich im Ausland mit konkreten „Gegenpositionen“ vornehm zurückhält, aber sich mit der Vorstellung für diese leichter als in Deutschland tut, erklärten der Pariser Architekt Claude Vasconi und sein polnischer Kollege Romuald Roegler. In Paris, so Vasconi, würde niemand auf die Idee gekommen, einen abgerissenen Eiffelturm oder das verschwundene Tuillerienschloss wieder aufzubauen. „Das ist Geschichte“, sagte Choay. In Berlin ist man soweit eben noch nicht – geschweige denn bei Gegenpositionen.
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