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Cowboy mit zu großem Hut

Folk noir aus dem kulturellen Niemandsland: Jim White in der Fabrik  ■ Von Knut Henkel

20 Jahre lang saß Jim White in seinem verrotteten Wohnmobil und kein Schwein wollte seine düsteren, versponnenen Folkballaden hören. Bis David Byrne den Exzentriker aufstöberte. So ganz mag Jim White seinen späten Erfolg selbst nicht begreifen. Weshalb ihm alle Welt unter die Arme greift, ist ihm ein Rätsel. Gibt es plötzlich nur Gutmenschen, wohin der 43-Jährige mit dem zwei Nummern zu großen Cowyboyhut auch hinkommt, oder ist es Respekt für einen weltfremden Kreativen, der nie so recht zum Zuge kam?

Jim White kann es vorerst egal sein. Die Pechsträhne, die ihn ein gutes Stück seines Lebens begleitetete, ist erst einmal vorbei. Die Schulden sind bezahlt, die Zeit des Taxifahrens und Herumstreunens ist vorbei. Das Beste daran ist, dass seine kleinen düsteren Lieder, bei denen sich die Leute früher die Ohren zuhielten, nun Zuhörer finden. Mike Pratt alias Jim White ist am Zug, und zu verdanken hat er es einem anderem eigenwilligen Exzentriker, der es sich leisten kann, Typen wie ihn auszugraben: David Byrne. Der Ex-Talking Head entdeckte den vermeintlichen Südstaatler, der aus Kalifornien stammt, auf einem seiner Streifzüge und nahm den bis dahin gänzlich Unbekannten unter seine Fittiche.

White wuchs auf in einem kleinen Nest in Florida, „einer Hölle von Kirchenstadt“, wie er sagt. Und statistisch gesehen hat er durchaus recht, denn Pensacola, so heißt der Ort, hat den höchsten Pro-Kopf-Durchschnitt an Kirchen der gesamten USA. Neben den Kirchen und einem bedeutenden Luftwaffenstützpunkt, der es gar in eine TV-Serie schaffte, sind es die Waffengeschäfte, die das puritanisch-verschroben wirkende Örtchen prägen. In diesem „kulturellen Niemandsland“ wuchs White in einer Mittelklassefamilie als jüngstes von fünf Kindern auf. Die Geschichten, die der Songwriter White in seinen Texten erzählt, sind Stories über von Geistern belebte Welten, den allgegenwärtigen Tod, Prediger und Wunden, die niemals heilen.

Eine dieser Wunden hat seiner Musik den richtigen Sound verliehen. Als White einmal auf einer Baustelle jobbte, hatte er einen schweren Unfall, bei dem er beinahe drei Finger seiner linken Hand verlor. Nun musste er umlernen, mit einem Finger Akkorde greifen – und „zum erstenmal in meinem Leben klang, was ich spielte, richtig gut“.

So gut, dass ein Demotape reichte, um die Trip-Hopper von Morcheeba zu überzeugen, ein Stück für White zu produzieren. Aus dem einen wurden drei, darunter das eingängige „Handcuffed to a Fence in Mississippi“. Ohnehin können sich die Produzenten seines zweiten Albums No Such Place sehen lassen. Mit Andrew Hale (Sade) und Sohichiro Suzuki (Yellow Magic Orchestra) hat ihn David Byrne zusammenghebracht, recht unterschiedlichen Leuten. Begegnungen, die ihn weitergebracht und dazu beigetragen haben, dass No Such Place immer wieder mit Überraschungen aufwartet. Für White, der sich auf kein Genre festlegen will, ein Glücksfall. Mittlerweile setzt sich der bekennende Tom Waits-Fan auch an die Regler und hat die ersten seiner bösen kleinen Folk-Balladen selbst produziert. Die kommen ohne viel Brimborium aus, live wird es jetzt in der Fabrik nicht anders sein. Ein sarkastisch-melancholischer Cowboy, auf den man sich freuen darf.

Dienstag, 21 Uhr, Fabrik

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