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„Falsche Maßstäbe vom perfekten Menschen“

Grüne stellen Eckpunkte zur Gentechnik vor: Nein zum therapeutischen Klonen von embryonalen Stammzellen. PID soll verboten bleiben. Gesetze zu Biomedizin und Gentests kommen nicht vor den Wahlen. Saarländischer SPD-Chef Maas will Embryonen unter 14 Tagen zur Forschung freigeben

BERLIN taz ■ Jetzt ist es offiziell: Am Dienstagabend verabschiedete die Bundestagsfraktion der Grünen eine Vorlage, nach der sie Forschern und Medizinern enge Grenzen im Umgang mit menschlichen Embryonen setzen wollen. Gestern stellte Exgesundheitsministerin Andrea Fischer, die die Arbeitsgruppe der Grünen zur Gentechnik leitet, das Eckpunktepapier vor. Dabei machte sie deutlich, dass die Grünen von ihrem Ziel abgerückt sind, noch in dieser Legislaturperiode ein Fortpflanzungsmedizingesetz durchzuboxen.

Ihr einstiger Entwurf zu einem solchen Gesetz kehrt nun in Form der grünen Eckpunkte wieder. In diesen wird anerkannt, dass die Gesundheit zwar für den Menschen einen „hohen Stellenwert“ habe und deshalb „realistische“ Heilungschancen auch genutzt und gefördert werden sollen. Kein Verständnis wird jedoch aufgebracht, wenn „mit Hilfe der Gentechnik der Versuch unternommen wird, falsche Maßstäbe vom perfekten Menschen zu verwirklichen“.

Allgemein formuliert, wird die Gentechnik grundsätzlich bejaht, solange ihr eine ethische Diskussion vorausgeht. Bei den konkreten Ausformulierungen dessen, was erlaubt sei, gehen die Grünen dabei eine Allianz mit der Kirche ein und folgt ihr in ihrer dogmatischen Position. Aus dieser Grundhaltung folgern die Grünen ein klares Nein zur Nutzung von embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken. In ihren Augen würde für diese Art von Forschung menschliches Leben vernichtet und sei in diesem Sinne unvereinbar mit dem Konzept der Menschenwürde. Allein die Forschung mit adulten Stammzellen solle erlaubt werden.

Auch die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der im Labor erzeugte Embryonen vor Einsetzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht und aussortiert werden können, soll verboten bleiben. Und dies ohne jegliche Ausnahmen, obwohl die geltende Regelung eine pränatale Diagnostik nach Einsetzung in den Mutterleib erlaubt. Laut geltender Regelung ist in schweren Fällen von Erbkrankheiten erlaubt, einen solchen Fötus abzutreiben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Gentestgesetz, in dem verboten werden solle, dass etwa Versicherungen genetische Daten zur Grundlage von Risikobewertungen machen dürfen, um Personen mit „besseren“ Risiken zu privilegieren. „Man muss verhindern, dass die Rosinen den Kuchen verlassen“, so Fischer.

Da die Debatte über die Standpunkte zu den „Chancen und Risiken der Gentechnik“ nicht nur bei den Grünen kontrovers geführt werde, hätten sich die Fraktionen darauf geeinigt, den Fraktionszwang bei der anstehenden Bundestagsdebatte vom 31. Mai aufzuheben, sagte Fischer.

Ein Beispiel für die Kontroverse bei der SPD lieferte derweil der saarländische Landesvorsitzende Heiko Maas, der sich als erster prominenter Sozialdemokrat dafür aussprach, das therapeutische Klonen von Embryonen bis zum 14. Tag zu erlauben. Dies tat er in einem Brief an Justizministerin Herta Däubler-Gmelin kund, die das therapeutische Klonen ablehnt.

RALPH LENGLER

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