: Wege aus dem Krieg
Der Mitchell-Bericht und der jordanisch-ägyptische Friedensplan sind zwei Versuche, im Nahen Osten Frieden zu schaffen
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
In den höchsten Tönen lobte Israels Außenminister Schimon Peres die Untersuchungsergebnisse der Mitchell-Kommission. Es sei der „fairste internationale Bericht“, der jemals über israelische Politik urteilte, meinte Peres. Nur ein Abstrich sei zu machen: Die Angelegenheit mit dem Siedlungsbau, der – so der Bericht – „nicht die Wiederherstellung der Ruhe und die Wiederaufnahme der Verhandlungen unterminieren dürfe“, passt dem Politiker nicht. Die israelische Regierung hält unverändert daran fest, den Ausbau der Siedlungen „entsprechend dem natürlichen Wachstum“ zu betreiben.
Die Mitchell-Kommission war im vergangenen Oktober während eines Nahost-Gipfels im ägyptischen Scharm al-Scheich vom damals noch amtierenden US-Präsidenten Bill Clinton eingesetzt worden, um die Gründe der wieder aufgeflammten Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern zu erforschen und eine Fortsetzung zu verhindern.
Eigentlich hätte der Bericht am vergangenen Montag öffentlich gemacht werden sollen, doch da Israel bislang nicht offiziell reagiert hat, behelfen sich alle Seiten mit den Informationen, die inzwischen durchgesickert sind. Die Reaktion der Palästinensischen Autonomiebehörde war uneingeschränkt positiv, da der Bericht „Palästinenensern und Israelis eine vernünftige und klare Grundlage zur Beendigung der derzeitigen Krise bietet und einen Weg für die Wiederaufnahme konkreter Verhandlungen bereitet“.
Abgesehen von dem Mitchell-Bericht wird derzeit konkret die ägyptisch-jordanische Initiative zur Wiederaufnahme der Verhandlungen diskutiert, die den beiden Konfliktseiten im April vorgestellt wurde (siehe Dokumentation unten). Der palästinensische Parlamentspräsident Achmad Qurei, genannt Abu Ala, nannte die gemeinsame Initiative der beiden arabischen Länder, die Friedensverträge mit Israel unterzeichnet haben, einen „neuen Fokus für die Verhandlungen“.
Die Initiative stieß – ähnlich wie der Mitchell-Bericht – auf israelische Zustimmung – „mit Abstrichen“. Neben der umstrittenen Siedlungsfrage fordern die Israelis eine palästinensische Feuerpause von acht Wochen, bevor man Verhandlungen wieder aufnehmen könne. Den Palästinensern sind die vorgeschlagenen vier Wochen schon zu viel.
Vor dem Hintergrund der neuen Initiativen haben beide Seiten ihre Anstrengungen intensiviert, sich international Rückendeckung zu verschaffen. Schimon Peres kehrte erst vor kurzem von einer Reise nach Amerika und Europa zurück, wo er um Verständnis dafür warb, dass für neue Menschen neuer Wohnraum geschaffen werden muss. „Sollen wir etwa Familien, die Nachwuchs erwarten, zum Wegzug aufordern?“, fragte Scharon kürzlich. Arafat-Stellvertreter Abu Masen weilt dieser Tage in Washington, und der Palästinenserpräsident selbst will in Kürze in Paris mit dem amerikanischen Außenminister Powell zusammentreffen. Die Palästinenser fordern unverändert eine Umsetzung aller bisherigen Verträge. Sie sind zu einer sofortigen Rückkehr an den Verhandlungstisch bereit, um die Gespräche dort fortzusetzen, wo sie in Camp David endeten.
Ägyptens Präsident Husni Mubarak appellierte an die europäischen Staaten, eine aktivere Rolle bei der Vermittlung zwischen beiden Seiten auf der Basis seiner Initiative einzunehmen. Ägypten und Jordanien fürchten angesichts der zunehmenden Eskalation – allein in dieser Wochen starben erneut zehn Menschen – eine Ausweitung des Konflikts über die Landesgrenzen hinaus.
Für die Palästinenser bedeuten sowohl der ägyptisch-jordanische Vorschlag wie auch der Mitchell-Bericht bereits einen enormen politischen Erfolg. Zwar lehnt die Kommission den von palästinensischer Seite geforderten „Einsatz internationaler Schutztruppen“ ab. Jedoch gelang es den Palästinensern, ihre Forderung nach einem kompletten Siedlungsstopp in den Mittelpunkt der aktuellen Debatte zu rücken.
Der Ausbau der jüdischen Siedlungen hat in der Vergangenheit sowohl die Vereinigten Staaten als auch Europa wiederholt zu schwerer Kritik an Israel veranlasst. Georg Bush, der Vater des heutigen US-Präsidenten, hatte während seiner Regierungszeit sogar finanziellen Druck ausgeübt, um Israel zu einem Baustopp zu zwingen. In diesem Punkt kann Arafat sich der Unterstützung durch das Ausland sicher sein. Die Forderung nach Errichtung eines Palästinenserstaates hingegen steht zurzeit nicht auf der Tagesordnung.
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