: „Spuren beseitigt“
Im RZ-Prozess wurde gestern die Anklageschrift verlesen. Beschuldigter Glöde kritisiert die Bundesanwaltschaft
Im zweiten Anlauf soll nun alles ganz schnell gehen. Noch am Vormittag verlasen die Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW) gestern vor dem Kammergericht ihre Anklageschrift gegen die fünf mutmaßlichen Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ). Anfang April war der erste Prozess ausgesetzt worden, um den Beschuldigten Rudolf Schindler ins Verfahren einzubeziehen.
Allen fünf Beschuldigten wirft die BAW vor, an militanten Aktionen der RZ im Rahmen ihrer Kampagne „gegen imperialistische Flüchtlingspolitik“ in den Achtzigerjahren beteiligt gewesen sein. Während Schindler und seine Frau Sabine Eckle 1990 aus den Zellen ausgestiegen seien, hätten die anderen Angeklagten nach Meinung der BAW auch einen Anschlag auf die Berliner Siegessäule 1991 zu verantworten. Harald Glöde soll sich zudem 1993 an RZ-Anschlägen gegen den Bundesgrenzschutz in Frankfurt (Oder) und Görlitz beteiligt haben. Warum die Ermittler trotz zweier aufwendiger Hausdurchsuchungen jenes Waffenlager nicht ausfindig machen konnten, das die mutmaßlichen RZ-Mitglieder im Alternativzentrum Mehringhof angelegt haben sollen, konnte auch Bundesanwalt Volker Hohmann nicht erklären. Man gehe davon aus, sagte der Karlsruher Ankläger, „dass das Depot spätestens 1995 aufgelöst und sämtliche Spuren beseitigt“ worden seien.
Zuvor kritisierte der Beschuldigte Glöde das Vorgehen der Strafverfolger. In Kooperation mit der BAW habe das Bundeskriminalamt (BKA) gezielt den Kronzeugen Tarek Mousli aufgebaut. Mousli, auf dessen Aussagen die Anklage aufbaut, sei nach seiner selbst erklärten RZ-Mitgliedschaft mit der Drohung hoher Haftstrafen unter Druck gesetzt worden. Zudem habe ihm die Behörde durch ihr Vorgehen bewusst die finanzielle Grundlage entzogen. So sei ihm gekündigt worden, nachdem die Beamten Mouslis Arbeitsstelle in die Ermittlungen einbezogen hätten. Als ihm dann von der BAW eine finanzielle Existenz durch das Zeugenschutzprogramm sowie eine zweijährige Bewährungsstrafe angeboten worden seien, habe sich Mousli endgültig dafür entschieden, den Strafverfolgern als Kronzeuge zu dienen. So sei es schließlich zu den jetzigen belastenden Aussagen gekommen. Im Prozess gegen ihn selbst, der im vergangenen Dezember stattfand, habe Mousli dann in seinen Aussagen nur noch „formal bestätigt, was vorher mit BKA und BAW abgesprochen“ worden sei.
Bei den Bundesanwälten stieß die Erklärung nur auf amüsiertes Grinsen. Glödes Ausführungen seien „ohne jede Relevanz“. Inhaltlich wollten die obersten Strafverfolger nicht auf die Vorwürfe eingehen. Auch Richterin Gisela Hennig ließ sich nicht beirren. Über eine Besetzungsrüge sowie einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht will sie erst in den nächsten Tagen beraten. Die Rechtsanwälte werfen ihr angesichts des zögerlichen Vorgehens zu Beginn des Prozesses im März Verfahrensverschleppung vor. Der Prozess wird heute fortgesetzt.
WOLF-DIETER VOGEL
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