Mutmaßungen über ein Phantom

Wurde eine Nachfolgeorganisation der RAF gegründet? Die Bundesanwaltschaft glaubt dies, nachdem sie Speichelspuren von vermeintlichen ehemaligen RAF-Mitgliedern auf Gesichtsmasken gefunden hatte, die 1999 bei einem Überfall benutzt wurden

von WOLFGANG GAST

Ehemalige Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) sollen nach Angaben der Karlsruher Bundesanwaltschaft eine neue terroristische Vereinigung gegründet haben. Nach Auffassung der obersten Anklagebehörde sollen zu der Gruppe Daniela Klette und Ernst Volker Staub gehören, nach denen wegen Mitgliedschaft in der RAF gefahndet wurde. Ihren Verdacht stützt die Bundesanwaltschaft unter anderem auf DNS-Analysen von Speichelspuren in Gesichtsmasken, die bei einem Überfall auf einen Geldtransporter im Juli 1999 in Duisburg verwendet wurden. Der Überfalltrage „alle Merkmale einer terroristischen Beschaffungstat“, erklärte die Behördensprecherin Frauke-Katrin Scheuten.

Die Karlsruher Anwälte halten es für „lebensfremd“, anzunehmen, dass ehemalige RAF-Kader ihr Leben „als ‚normale‘ Schwerkriminelle ohne revolutionäres Ziel“ verbringen könnten. Die Behörde geht daher davon aus, dass die spätestens im April 1999 gegründete neue Terrorgruppe die Logistik der alten RAF nutzt, darunter konspirative Wohnungen, gefälschte Ausweise und möglicherweise bis heute unentdeckte Waffendepots.

An dem Überfall in Duisburg waren neben dem 46-jährigen Staub und der 44-jährigen Klette zwei weitere Unbekannte beteiligt. Sie waren mit einer Panzerfaust und einem Schnellfeuergewehr bewaffnet und hatten neun Geldkoffer mit rund einer Million Mark erbeutet. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof hat gegen Staub und Klette bereits im vergangenen November Haftbefehle wegen schweren Raubes und Mitgliedschaft in einer Vereinigung erlassen, „deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord und Totschlag zu begehen“.

Der Kenntnisstand über die so genannte dritte Generation der RAF ist dürftig. Seit Jahren benennen Verfassungsschützer nur noch drei Personen als mutmaßliche Mitglieder der letzten RAF- Generation, die im April 1998 ihre endgültige Auflösung erklärte. Klette, Staub und Burkhard Garweg. In ihrer Hilflosigkeit stürtzten sich die Sicherheitsbehörden sogar auf die Semantik. Computeranalysen sollten Aufschluss darüber geben, ob sprachliche Besonderheiten oder Rechtschreibfehler Rückschlüsse auf die Autoren der Auflösungserklärung der RAF vom April 1998 zulassen. Einige Wendungen, glaubten die Kölner Textexegeten, könnten Staub zugeordnet werden.

Die behauptete Neugründung einer terroristische Vereinigung steht auf wackeligen Beinen. Gegen eine Neugründung spricht auch eine Aussage aus der Auflösungserklärung der RAF. „Heute beenden wird dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte ... Wir tragen diesen Schritt gemeinsam.“