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Kein Eis für Afrika

Hamburgs Hafen als Hort für Tausende von alten Kühlschränken  ■ Von Friedhelm Schachtschneider

Die Zöllner im Hamburger Hafen stehen vor einem ungewöhnlichen Problem – vor einem Berg alter Kühlschränke. Der Ärger begann im Herbst vergangenen Jahres, als bei einer Drogensuche auf einem Frachter mit Ziel Afrika statt des vermuteten Rauschgiftes alte Kühlschränke entdeckt wurden, erzählt Zöllner Michael Kramer. Die alten Geräte mussten von Bord und stehen seitdem im Hafen herum. Denn zum Schutz der Ozonschicht dürfen nach einer EU-Verordnung seit Oktober keine Geräte exportiert werden, die das Treibhausgas Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) enthalten. Finden Kontrolleure derartige Ozonkiller im Kühlmittel oder Isolierschaum, heißt es: runter damit vom Schiff.

Mittlerweile türmen sich immer größere Berge von alten Kühlschränken im Hafen. Die Händler werden die Geräte nicht mehr los und lagern sie. Michael Kramer schätzt: „Es stehen schon tausende alte Kühlschränke im Hafen herum. Wie viel es genau sind, wissen wir nicht, aber allein in den vergangenen Wochen sind 500 bis 1000 Stück dazu gekommen.“

Bisher seien die Kühlgeräte vorzugsweise in die westafrikanischen Länder Nigeria und Benin verschifft worden. Weil besonders Hamburger Reeder ihre Frachter in diesen Teil der Welt schicken, wurde Deutschlands Tor zur Welt auch zur Hintertür für alte Kühlschränke. Laut Kramer kann der Zoll dies nun verbotene Zusatzgeschäft zwar unterbinden, es gebe jedoch keine rechtliche Handhabe, die Geräte einzukassieren.

Nach einer Anstandsfrist im Lagerhaus des Händlers wird manchmal ein zweiter Versuch gestartet und Exporteure „vergessen“ die Eisschränke auf ihrer Zollanmeldung. Hinter Reifen oder Teppichen tauchen dann solche umstrittenen Exportartikel auf. Andere laden schrottreife Lastwagen oder Busse aufs Schiff, stopfen sie mit bis zu 50 alten Kühlschränken voll, schweißen die Fahrzeugtüren zu und hoffen, dass Zöllner den aufwendigen Einsatz eines Trennschleifers zum Öffnen scheuen. Werden diese Eisschränke dann sichergestellt, bleiben sie in einer Halle unter Zollaufsicht.

Dort stehen sie zum Teil monatelang, und niemand weiß, wohin damit. In einer internen Mitteilung des Zollamtes Ericus im Freihafen an die Oberfinanzdirektion Hamburg heißt es: „Jegliche Überwachung hinsichtlich des weiteren Verbleibs ist außer Kontrolle geraten.“ Oft hätten die alten Geräte schon einen neuen Eigentümer aus Afrika, der wieder abgereist sei – und der Zoll könne niemand für den Abtransport verantwortlich machen.

Auch Helge Schreiber von der Umweltbehörde ist ratlos: „Wir können nicht anordnen, sie zu ent-sorgen.“ Da die Geräte noch funktionierten, könnten die alten Eisschränke nicht als umweltgefährdender Abfall beseitigt werden. Von den betroffenen Exporteuren war niemand zu einer Stellungnahme bereit. Ein Beamter meint: „Die Herren scheuen die Öffentlichkeit und haben wohl Angst, dass Umweltschützer ihre Kühlschranklager besuchen oder ihnen ein Transparent vor das Büro hängen.“

Die Männer in den grünen Uniformen werden unterdessen bei ihren „Kühlschrank-Kontrollen“ zu Umweltexperten. Das Bundesfinanzministerium hat für den Zoll Kühl- und Treibmittel aufgelistet: Dichlordifluormethan und Tri-chlorfluormethan: verboten, Tetrafluorethan und Dichlorfluorethan: erlaubt. Und das Bundesumweltministerium schreibt den Zöllnern auch, wie sie Treibhausgase erkennen können: Man nehme ein Stück Kupferdraht mit einem Kühlschaumwürfel und zünde die Probe an. Leuchtet eine knisternde Flamme grün auf, wurde FCKW gefunden.

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