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Das Grauen, das Grauen

Der Völkermord in Ruanda und die Kraft der Bilder. Die Ausstellung des chilenischen Künstlers Alfredo Jaar im Badischen Kunstverein Karlsruhe besticht durch schlichte Präzision

Kigali, Mibinzi, Rukare? Diese Namen sagen den meisten wohl nichts. Auschwitz, Sobibór, Treblinka, das sind die Chiffren für den modernen Massenmord. Die anderen Orte liegen weit weg, in Afrika, eine Million Menschen wurden dort in fünf Monaten abgeschlachtet. Nicht vor langer Zeit, als die Welt noch barbarisch war, sondern vor sieben Jahren, zum Teil unter den Augen der Weltöffentlichkeit und UNO-Soldaten.

Nur wenige Künstler haben sich dem Horror des Bürgerkriegs in Ruanda ausgesetzt. Neben H. C. Buch, der ein sehr sensibles Buch geschrieben hat, versucht sich seit einigen Jahren auch der chilenische Künstler Alfredo Jaar an einer Darstellung. Aber er zeigt nicht das Grauen; er geht einen anderen Weg, der jetzt in einer sehr eindrucksvollen Ausstellung im Badischen Kunstverein Karlsruhe zu sehen ist.

So bedeutungslos wie die hübsch klingenden Namen sind auf den ersten Blick auch die Bilder in den abgedunkelten Räumen. Man sieht im großen, zweigeteilten Saal drei große Fotos, ein Teefeld, einen besonnten Hohlweg und eine Wolke, Urlaubsbilder, Idyllen. Erst auf daneben gehängten Cibachrom-Prints liest man Erläuterungen: Ortsbestimmungen, „der Weg zur Kirche von Ntarama“ oder „die Wolke über der Kirche“. Und das Datum: 25. August 1994. Auf der Strichzeichnung ist die Kirche angedeutet, die Wolke, und vor der Kirche Wellenlinien mit der Bezeichnung „Körper – fünfhundert?“

Gegenüber bildet sich eine Lichtlinie aus Sätzen von Jaar über den Völkermord und einem Zitat der dreißigjährigen Gutate Emerita, vor deren Augen in der Kirche ihr Mann und zwei ihrer Kinder mit der Machete erschlagen wurden. Entsprechend leitet ein Text mit den Worten „Ich erinnere mich an die Augen, die Augen von Gutate Emerita“ über zum nächsten Raum. Dort sind auf einem von unten beleuchteten Tisch eine Million Mal kopierte Dias von ihren fotografierten Augen zu einem Leichentuchmonument aufgeschichtet. Mit einer Lupe kann man in diese Augen sehen – und sieht auch den blauen Himmel, der sich in ihnen spiegelt. Im weiteren Teil der Ausstellung hängen Tafeln mit Ortsnamen, in einem Aufgang geht man auf vier sich abwechselnde Bilder von zwei kleinen Jungen zu, die sich festhalten und umarmen, im Hintergrund sieht man eine Menschenmenge – man ahnt, was passiert. Im letzten Raum erscheint langsam das projizierte Bild einer alten Frau, um sofort wieder zu verschwinden und sich trotzdem einzuprägen.

Hoch reflektiert, aber sehr einfach und wirkungsvoll präsentiert Alfredo Jaar Bilder, die nicht moralisieren oder politisieren, keine Propaganda machen und nichts direkt zeigen. Trotzdem ist in ihnen alles enthalten, der Terror in Ruanda, unser Wegsehen und unsere Erinnerung an die Bilder, die wir trotzdem sehen. Es geht Jaar auch um die Frage des Gedächtnisses und um das Verhältnis von Bild und Story. Welche Fotos wirken noch? Und wie kann man mit Bildern eine Geschichte erzählen, ohne dass sie platt wird, pathetisch, übertrieben, unglaubwürdig?

Oft bleibt Pressefotografen nur der Schock als Mittel, um Aufmerksamkeit für ihre Arbeit wecken zu können. Aber die stillen Momente von Alfredo Jaar sind eindringlicher und berührender. Es ist die Reduktion, die der Ahnung vom realen Terror Raum lässt. Der 44-jährige Alfredo Jaar war schon auf den größten Biennalen der Welt, auch auf der documenta. In Deutschland wird seine jetzige Ausstellung vermutlich nur in Karlsruhe gezeigt werden. GEORG PATZER

Alfredo Jaar: „Let there be light – The Rwanda Projects“, bis 10. 6., Badischer Kunstverein, Karlsruhe. Katalog (in Englisch) 65 Mark

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