neues aus dem kanzler-klan: Schröder verzeiht und gewinnt
Der Kanzler des Dosenpfands hat jetzt ein deutsches Schicksal – seine Kusine war bei der Stasi
Sie nennen sie „G.“ Genauer gesagt „G. (50)“. Das klingt ein bisschen wie ein sowjetisches Maschinengewehr. Was auch erklärt, warum Gerhard Schröder nichts von ihr wusste. Für Ostsachen hat er sich nie groß interessiert. Bis die Sache mit den Kusinen kam. Zwei an der Zahl, und ihre Namen gehören inzwischen genauso zum Cast der Schröder-Saga wie die Lieblingswurst von Doris Schröder-Köpf: Inge Siegel, Heidelinde Munkewitz und die Teewurst. Das alleine würde schon reichen für einen Stefan-Raab-Song. Dann trat gestern „G.“ aus dem Dunkel.
Über die dritte Kusine wurde bisher nur getuschelt. Warum „Renate“ sich nicht vom Kanzler vor die Kameras schieben lassen wollte, war unklar: Arbeitslos sei sie, sagten die zwei Schwestern, und darum sauer auf die Politik. Bild erzählte gestern eine andere Geschichte: „Schröders Cousine war bei der Stasi.“ Nein, wirklich?! „Sie hat ihm alles gebeichtet – der Kanzler hat ihr verziehen.“ Verdammnis, Buße und Erlösung in drei Sätzen, schöner hätte es kein Apostel aufschreiben können. Da spendierte Schröder dem Springer-Blatt gern ein Exklusiv-Statement im Dschieses-Sound: „Wer von euch ohne Fehl ist, der werfe den ersten Stein.“
Der Mann hat Grund zur Dankbarkeit. 68 halb verpasst, 89 ignoriert und als Kanzler mit dem Dosenpfand zugange, wird Gerhard Schröder plötzlich ein deutsches Schicksal zuteil. Schuld und Verstrickung, Hybris und Niedergang – was Schröder nur aus der Richard-Wagner-CD-Box kennt, erlebt er jetzt in der eigenen Familie.
Was haben ihn die Gaucks, die Thierses und Raus genervt! Wie hat ihn ihr hoher moralischer Ton verdrossen, wenn sie vom Osten sprachen, und wie ihre Süße, wenn sie den kleinen Sündern vergeben haben. Jetzt, endlich, hat er einen Schicksalsfall in der Familie. Jetzt endlich kann er mitreden. Und natürlich macht er es schlauer als sie. Erkennt die Chance, sein Image vom Lack-Kanzler, dem Sorglos-Gerd, zu korrigieren. Wie Helmut Kohl in den Mantel der Geschichte hüllt Gerhard Schröder sich in diesen Hauch des Faustischen, den die Deutschen so lieben an ihren Führer-Gestalten.
„Wüsste ich denn, ob ich in einem solchen System hätte widerstehen können?“, fragt Schröder die Bild-Leser. Millionen Ostwähler werden ihn verstehen.
PATRIK SCHWARZ
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