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Kein Kabarett

■ Im Theaterschiff: Thomas Ebermann und Rainer Trampert mit neuem Programm

Keine Illusionen mehr. Sie würden das vielleicht nicht „Die Diktatur der Angepassten“ nennen, wie Jochen Distelmeyer auf dem jüngst erschienenen Blumfeld-Album Tes-tament der Angst. Aber nach ihrem letzten Versuch Anfang der 90er, mit der Radikalen Linken nochmal eine nicht unbedeutende Zahl von kurz vor der Verzweiflung stehenden Leuten am linken Rand zu versammeln, haben Thomas Ebermann und Rainer Trampert „keine Lust mehr, selbst zu organisieren“.

Querelen und der bis heute dümmste aller Anwürfe, sie seien doch bloß auf der Suche nach einer nicht vorhandenen Basis, ließen das Projekt 1992 scheitern. Als ginge es nicht darum, dass zunächst einfach diejenigen, die an ein paar linken Selbstverständlichkeiten festhalten, sich gegenseitig aus der Isolation heraus- in ein gemeinsames Überlegen und Handeln hi-neintreiben.

Das nach dem Scheitern der Radikalen Linken gemeinsam geschriebene Buch der beiden Hamburger Grünen-Gründer und Parteiabtrünnigen, Die Offenbarung der Propheten, rechnete dann bereits illusionslos ab mit der Stoßkraft, die eine Linke im wiedervereinigten Deutschland noch haben könnte. Anders als manch anderere Altlinke und ältere Neue Linke haben Ebermann und Trampert aber niemals von den hohen Rössern marxistischer Schulung und resignierten Schreibtischdaseins aus dorthin geschlagen, wo sich noch etwas regt, oder Schritte zurück in Richtung eines Marschs durch die Institutionen getan.

Eher schon welche in bisher von ihnen unerforschter Gegenden, wie die linker Hamburger Musikschulen. So hatte Ebermann in Schorsch Kameruns Inszenierung von Hubert Fichtes Die Palette am Hamburger Schauspielhaus einen kurzen, aber dichten Auftritt. Und Katastrophismen, das schrieben sie damals und daran halten sie auch heute fest, sind sowieso des Teufels. „Wie stellt man sich den normalen, resignativen Momenten des Alltags, ohne am Ende ein Opfer von Verbitterung zu werden“, brachte Jochen Distelmeyer die dazugehörige Haltung neulich im Interview auf den Punkt (taz hamburg, 23.5.01).

Wozu sich die beiden nun seit eineinhalb Jahren entschlossen haben, nämlich mit „analytisch-satirisch-sarkastischen Abenden“ die Bundesrepublik zu bereisen, das wollen sie auf keinen Fall als „Kabarett“ missverstanden wissen. Oft bekommen sie anschließend von Zuhörern Ratschläge, welche Passagen sie beim nächsten Mal besser wegließen, weil sie nicht „witzig“ genug seien. Wie Ebermann und Trampert schon immer auch anste-ckend gelacht haben bei ihren Analysen, so ist ihnen die Analyse bis heute ernst an diesen Abenden, trotzdem viel gelacht werden darf.

Das Programm der beiden unter dem Titel Verpasst Deutschland den Anschluss? liegt inzwischen als CD vor (verlag die brotsuppe 2000). Doch Themen wie „Oskar Lafontaine“ oder „Der Balkankrieg und neue Welkonfrontationen“ sind inzwischen aktuelleren gewichen, wie zum Beispiel der jüngs-ten Arbeitslosenschelte. Wenn es scheint, vor der Analyse der beiden beißenden Kritiker könne nichts, aber auch gar nichts bestehen, dann liegt das nur daran, dass sie sich innerhalb dieser Verhältnisse keine Verbesserungen vorstellen können. Darüber darf an zwei Abenden der folgenden Woche mit ihnen gelacht und nicht gelacht werden, denn das ist nun wirklich verdammt ernst.

Christiane Müller-Lobeck

Di, 29.5. (bereits ausverkauft) + Do, 31.5., 20 Uhr, Theaterschiff am Mäuseturm, Hohe Brücke 2; Karten Tel. (040) 789 83 73

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