: Eine alltägliche Situation
■ Vor zwei Jahren wurde ein schwarzer Bremer beinahe überfahren und dann zusammengeschlagen / Ein Gerichtsbericht
Aus Finsterwalde waren sie zu siebt angereist im Dezember 1998, um das Fußballspiel zwischen Hertha und Werder Bremen zu sehen. Diese Woche waren sie wieder in Bremen, weil sich zwei von ihnen vor dem Amtsgericht wegen gemeinschaftlich ausgeübter Körperverletzung verantworten mussten. Was war geschehen? Als der in dem Prozess jetzt als Nebenkläger auftretende Bremer S. (33) die Bismarckstraße überqueren wollte, bog der Kleinbus der Hertha-Fans von der Stader Straße ein. Über die genauen Ereignisse an diesem Ort gibt es unterschiedliche Aussagen.
S. sagt, der Lieferwagen habe ihn trotz „grün“ für Fußgänger beinahe überfahren, so dass er stehengeblieben sei und sich beschwert habe. Daraufhin habe der Wagen angehalten, der Fahrer E. (26) sei ausgestiegen und habe ihm ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen. Was danach passierte, kann S. nicht mehr genau sagen, weil er bewusstlos war. Passanten hätten ihm erzählt, auch die Mitfahrer von E., wie der zweite Angeklagte J. (32), hätten sich eingemischt, er wäre auf dem Boden liegend mit Füßen getreten worden. S. wurde ärztlich behandelt und seine Frau berichtete gegenüber der taz, er habe noch tagelang Schmerzen gehabt.
Der Angeklagte E. behauptet, es sei alles ganz anders gewesen. „Die Fußgänger-Ampel war auf rot“, und dann habe er einen Schlag an den Wagen gehört. Er sei ausgestiegen. Mit S. sei es dann zu einer „Schlägerei, äh Rangelei“ gekommen, eine Sache von 30 Sekunden, angestiftet von S. Er sei schnell wieder eingestiegen, weil er sich durch die herbeieilenden Leute bedroht gefühlt habe.
Die Zeugenaussagen stimmten kurz nach dem Vorfall überwiegend mit der Version des Geschädigten S. überein. Die vor Gericht als Zeugen geladenen Mitfahrer der Angeklagten bestätigen die Version ihres Freundes, können aber keine genauen Angaben machen. Sie seien nur ausgestiegen, „um zu sehen, was los ist“. An den „Handgreiflichkeiten“ oder an der „Auseinandersetzung“ waren sie nicht beteiligt, behaupten sie.
Ein Zeuge, der sich damals eingemischt hatte, berichtet, S. hätte den Streit angefangen. „Ich hätte als Autofahrer genauso gehandelt.“ Er erklärt, er habe damals nur zugunsten des Geschädigten S. ausgesagt, weil sein Freund ihn dazu überredet hatte. „Die sehen doch aus wie Hitlers Kinder“ habe der gesagt und: „Wir Ausländer müssen gegen die zusammenhalten.
Die Angeklagten haben rasierte Schädel. E. ist einschlägig vorbestraft: „verfassungswidrige Kennzeichen“, „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“. Der Geschädigte S. kommt aus Gambia und hat eine dunkle Hautfarbe. „Eine alltägliche Situation im Straßenverkehr“, sagt die Verteidigung, „ohne rassistischen Hintergrund“. Der Richter hält es trotz der schwierigen Beweislage für bewiesen, dass E. zugeschlagen hat und verurteilt ihn zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung. per
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