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Tschads Opposition reklamiert Wahlsieg

Yorongar, führender Gegner der Ölförderung, will gewonnen haben: „Ich bin der legitime Präsident“

BERLIN taz ■ Die Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag im zentralafrikanischen Tschad endet möglicherweise mit einer Sensation, die für den geplanten Aufstieg des bitterarmen Landes zum Erdölexporteur schwer wiegende Folgen haben könnte. Ngarlejy Yorongar, radikalster Widersacher des amtierenden Präsidenten Idriss Déby und Wortführer der Gegner der tschadischen Ölförderung in ihrer jetzigen Form, reklamiert den Sieg und wird darin von allen anderen Oppositionskandidaten unterstützt. Von offizieller Seite sind hingegen noch nicht einmal Teilergebnisse veröffentlicht worden, und Oppositionelle rechnen damit, dass eine massive Wahlfälschung im Gange ist.

„Es gibt zwei Staatschefs im Tschad heute“, sagte Yorongar der taz. „Es gibt mich, also den vom Volk gewählten legitimen Präsidenten, und es gibt Déby, der illegitim ist, weil ihn nur die Computer gewählt haben.“ Laut Angaben seines Wahlkampfleiters Ali Golhor, der sich auf Teilauszählungsprotokolle stützt, hat Yorongar vor allem im Süden des Landes deutlich gewonnen. Besonders hoch mit teilweise über 90 Prozent sei Yorongars Sieg in den südwestlichen Regionen, wo gegen massiven Widerstand von Teilen der Bevölkerung Ölfelder entstehen und eine Pipeline gebaut wird, die ab 2002 tschadisches Erdöl über Kamerun exportieren soll. Yorongar führt seit Jahren die Proteste gegen diese Projekte an.

Sollte der 52-jährige Yorongar, Schreck der Ölkonzerne und der Weltbank, tatsächlich Präsident des Tschad werden, wäre es eine Sensation. „Selbstverständlich“ werde er dann die Verträge mit den beteiligten Ölkonzernen neu verhandeln, sagt Yorongar, der seinen Wahlkampf auf die Forderung nach Föderalisierung des Tschad zwecks größerer Selbstbestimmung der einzelnen ethnischen Gruppen konzentriert hatte: „Man muss die Verträge korrigieren, damit mehr Ressourcen in die Entwicklung fließen. Und man muss die ersten Opfer der Ölausbeutung gerecht entschädigen.“

Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass es so weit kommt. Die Regierungspartei MPS (Patriotische Rettungsbewegung) von Präsident Déby reklamiert für den Amtsinhaber einen Sieg mit 65 bis 70 Prozent der Stimmen. Déby, der 1990 als Führer einer Rebellenarmee die Macht ergriff, hatte sich zum ersten Mal 1996 in einer ebenfalls umstrittenen Wahl im Amt bestätigen lassen und kandidiert dieses Mal für eine laut Verfassung letzte Amtszeit.

Bereits vor der Wahl war von unabhängiger Seite vermutet worden, es könne in dem riesigen dünn besiedelten Land zu Wahlbetrug kommen. Insgesamt wurden von den 6.000 Wahllokalen des Tschad lediglich 250 von unabhängigen Beobachtern besucht. Die sechs Gegenkandidaten sprachen in ihrer Erklärung vom Mittwoch von „massivem Betrug und Unregelmäßigkeiten“. Yorongars Wahlkampfleiter Golhor wird deutlicher: „Betrug ist gar keine Ausdruck für das, was passiert ist. Betrug ist etwas Subtiles. Hier gab es bewaffnete Angriffe auf Wahllokale, um Wahlbüroleiter, Delegierte und Wahlurnen zu entfernen.“ In der Provinzhauptstadt Kyabé nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik seien bei Bekanntwerden des Vorsprungs von Yorongar sämtliche lokalen Autoritäten sowie die Ehefrau von Staatschef Déby „in alle Wahlbüros eingedrungen, um die Urnen wegzutragen“.

Laut dem amtlichen Zeitplan hat die Wahlkommission des Tschad Zeit bis zum 3. Juni, um ein Wahlergebnis vorzulegen; eine eventuelle Stichwahl würde am 1. Juli stattfinden. In der Wartezeit patrouillieren nach FIDH-Angaben schwer bewaffnete Truppen durch die Hauptstadt Ndjamena. Besonders dicht seien die Patrouillen vor Yorongars Haus. DOMINIC JOHNSON

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