Berlin muss betteln gehen

Loch im Landeshaushalt auf sieben Milliarden Mark beziffert. Regierender Bürgermeister lädt zum sonntäglichen Krisengespräch. Bundesregierung zeigt keine Neigung, finanziell zu helfen

BERLIN taz ■ Die Hauptstadt geht betteln. Berlins Finanzsenator Peter Kurth (CDU) hat gestern erstmals bei Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) um Unterstützung in der Finanz- und Bankenkrise des Stadtstaats gebeten. Die beiden Politiker hätten die Möglichkeiten des Bundes erörtert, „die Bemühungen des Landes zu unterstützen“, sagte Kurths Sprecher nach dem Treffen. Um konkrete Finanzhilfen sei es nicht gegangen, die Gespräche würden aber fortgesetzt.

Wegen verlustreicher Immobiliengeschäfte unter der Verantwortung des früheren CDU-Fraktionschefs Klaus Landowsky ist die mehrheitlich landeseigene Bankgesellschaft schwer angeschlagen. Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder bezifferte das dadurch verursachte Loch im Landeshaushalt gestern auf sieben Milliarden Mark in diesem Jahr. Das ist mehr als ein Sechstel des gesamten Landeshaushalts und fast die Hälfte der jährlichen Steuereinnahmen. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen hat die Spitzenvertreter der Koalition deshalb am morgigen Sonntag zu einem kurzfristig anberaumten Krisengespräch eingeladen. Dabei sollen die Situation der Bankgesellschaft und der notwendige Nachtragshaushalt diskutiert werden.

Die rot-grünen Regierungsparteien im Bund zeigten gestern wenig Neigung, dem CDU-geführten Berliner Senat unter die Arme zu greifen. Man nehme die Entwicklung zwar mit „wohlwollender Besorgnis“ zur Kenntnis, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums. Es gebe jedoch „keinen Automatismus“ für Bundeshilfen, wie Bremen und das Saarland sie erhielten. Skeptisch äußerte sich auch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Finanzen in der SPD-Fraktion, Jörg-Otto Spiller: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Berlin aus dem Schneider wäre, wenn es nur sagte: Der Bund soll helfen.“

Den ablehnenden Stimmen im Regierungslager schloss sich auch FDP-Parteivize Rainer Brüderle an. Es gehe nicht an, dass andere für die „Unfähigkeit, den Mist und den Filz in Berlin auch noch bezahlen müssen“, sagte Brüderle. Dagegen forderte der Haushaltsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dietrich Austermann, eine Debatte über zusätzliche Bundeshilfen.

RALPH BOLLMANN

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