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„Intensiver gegen Neonazis“

■ Im Interview: Hamburgs künftiger Innensenator Olaf Scholz über Neonazis, Abschiebungen, prügelnde Männer und politische Führung

taz: Heute Nachmittag, Herr Scholz, werden Sie in der Bürgerschaft als neuer Innensenator vereidigt, morgen haben Sie ihren ersten Arbeitstag in der Behörde. Würden Sie eine gewisse Nervosität einräumen?

Olaf Scholz: Ich bin nicht nervös, ich bin voller Tatendrang.

Soll ja auch einiges zu regeln geben. Womit fangen Sie an?

Mit dem wichtigsten. Eine erste Grundsatzentscheidung habe ich ja bereits mit dem Bürgermeister vereinbart: Die Hamburger Polizei, die eine der höchsten Polizeidichten aller Bundesländer hat, wird nicht weiter reduziert.

Sie bringen die Nicht-Streichung von 61 Beamtenstellen als Antrittsgeschenk mit: Eine Beruhigungspille im Wahlkampf?

Nein, nur der Anfang. Wir werden sehr schnell weitere Akzente setzen, damit die Menschen in Hamburg nicht nur sicher sind, sondern sich auch sicher fühlen. Dazu werden wir vordringlich zwei Probleme angehen, die es in Hamburg für jeden erkennbar gibt: Die Bekämpfung der Gewalttaten junger Männer an jungen Männern und ein verstärktes Vorgehen gegen Intensivdealer.

Klingt nach Wahlkampfkosmetik, um der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Nein, wir gehen das selbstverständlich rasch an, aber mit langen Atem bis in die nächste Legislaturperiode hinein. Das ist erkennbar auch an den geplanten Maßnahmen gegen prügelnde Männer, unter denen Frauen und Kinder zu leiden haben. Dazu werden wir Gesetzesänderungen erarbeiten, die es Frauen ermöglichen sollen, gewalttätige Männer für einige Zeit durch die Polizei aus der gemeinsamen Wohnung werfen zu lassen.

Werden Sie für ein offensiveres und entschiedeneres Vorgehen gegen Neonazis und Skinheads sorgen?

Das ist in der Tat ein großes Problem. Die bisherige offensive Linie in der Bekämpfung des Rechtsradikalismus in Hamburg werde ich fortsetzen und intensivieren. Dabei werden alle rechtlichen Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft werden.

Auch gegen Nazi-Aufmärsche, die in jüngster Zeit auch in Hamburg immer häufiger geworden sind?

Ja.

Wird es ein spezielles Hamburger Aussteigerprogramm für Neonazis geben?

Wir werden die Umsetzung des existierenden bundesweiten Aussteigerprogramms gründlich analysieren. Wenn das nicht ausreichen sollte, halte ich zusätzliche Hamburger Angebote für denkbar. Wir müssen vor allem versuchen, so viele jugendliche Mitläufer wie möglich aus der rechten Szene wieder herauszuholen.

Die Hamburger Abschiebepolitik ist alles andere als liberal, ihr Vorgänger Wrocklage hatte deshalb reichlich Ärger mit dem grünen Koalitionspartner. Ihre Linie?

Ich bin ein Liberaler, aber ich bin nicht weich. Das Grundrecht auf Asyl muss gewährleistet bleiben, aber es darf nicht missbraucht werden. Das gilt in erster Linie für Straftäter. Es gibt dazu eine politische Vereinbarung zwischen SPD und GAL, auf dieser Basis wird es notwendige Abschiebungen auch weiterhin geben.

Werden auch unter einem Innensenator Scholz im Morgengrauen Familienväter von ihren Familien getrennt und abgeschoben werden?

Wir werden auf der Grundlage der Gesetze und der Koalitionsvereinbarung human handeln.

Sie sind Arbeits- und Sozialexperte. Welche Qualifikationen haben Sie eigentlich für den Job des Innensenators?

Die Innenbehörde und die Polizei haben einen durchsetzungsstarken Senator verdient, der auch politisch durchsetzt, was für eine gute Arbeit unerlässlich ist. Das traue ich mir zu. Mein künftiger Staatsrat Dirk Reimers ist ein ausgewiesener Fachmann, der die Polizei sehr gut kennt und dort hohes Ansehen genießt. Ein Senator ist für die politische Führung zuständig, dafür braucht er Durchsetzungs- und Kommunikationsfähigkeit. Beides kann ich gewährleisten.

Interview: Sven-Michael Veit

Olaf Scholz im Portrait: Seite 12

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