Pflege-Notstand in Sichtweite

■ Über die Zukunft der Pflegeberufe diskutieren in Bremen rund 1.000 Rot-Kreuz-Schwestern / Deren Lage ist nicht rosig

Aus Sicht der Krankenschwes-tern ist vor allem eines stark pflegebedürftig: Das deutsche Gesundheitssystem. Denn in Krankenhäusern und Altenheimen mangelt es bald an der Grundversorgung, kritisieren die Rot-Kreuz-Schwestern auf ihrem Bundes-Kongress in Bremen: zu wenig Pflegekräfte, immer weniger Ausbildungsplätze und eine unsichere Zukunft durch die geplante Krankenhausreform. Der Pflegenotstand sei damit quasi vorprogrammiert, meint die Präsidentin Sabine Schipplick.

„Wir müssen uns klar machen, welche Pflege wir uns in Zukunft noch leisten können“, erklärt Schipplick. Wenn in den Krankenhäusern ab 2003 nach den Fallpauschalen abgerechnet wird, dann ist bislang der Pflegeaufwand je nach Patient noch nicht berücksichtigt. „Extra-Pflege müsste dann vermutlich auch extra bezahlt werden“, moniert Schipplick. Für den Fall, dass die Kassen in Zukunft die Extra-Pflege nicht mehr übernehmen sollten, überlegt man sich beim Krankenhaus Links der Weser inzwischen Vorsichtsmaßnahmen: Erst mal sollen keine Krankenschwestern unbefristet eingestellt werden – dadurch könnte man beim drohenden Sparzwang schneller Konsequenzen ziehen.

In Altenheimen dagegen ist die Lage inzwischen weit schlimmer: Allein bei der Bremer Heimstiftung, der größten Altenpflege-Einrichtung in Bremen, ist bei den PflegerInnen inzwischen „die Grenze der Belastbarkeit erreicht“, gibt Alexander Künzel vom Vorstand unumwunden zu: „Wir müss-ten eigentlich viel mehr Pflegekräfte einstellen, aber die Budgets geben das nicht her.“

Aber auch der Markt nicht: 130 offene Stellen sind beim Bremer Arbeitsamt gemeldet, darauf kommt gerade mal eine Hand voll Arbeitssuchender. „Der Markt in Bremen ist bereits leer gefegt“, meint Irmgard Menger, die Bremer Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Obwohl man hier noch 500 examinierte Fachkräfte mit Arbeit versorgen könnte, schätzt die Bremer Heimstiftung.

Aber auch die Krankenhäuser schlittern geradewegs in einen Pflegenotstand. Nach Ansicht des DRK ist das nur noch eine Frage der Zeit: Die meisten Kliniken haben inzwischen rund zehn bis 15 Prozent ihrer Ausbildungsplätze abgebaut, klagt Schipplick. In spätestens drei Jahren wird man den fehlenden Nachwuchs auch an den Krankenbetten spüren. „Fachpersonal zum Beispiel für den OP-Bereich ist aber jetzt schon schwer zu finden“, klagt zum Beispiel Rolf Schlüter, Pressesprecher beim Krankenhaus Links der Weser.

Aber nicht nur Ausbildungsplätze fehlen der Zunft: Im Grunde krankt es am System. Die Arbeitsbedingungen sind zu schlecht. Durchschnittlich bleiben die Pflegekräfte nicht länger als fünf Jahre im Beruf. Dann ist einfach Ende. „Extrem hoher Zeitdruck und regelmäßiges Burn-out-Syndrom“ – so charakterisiert Irmgard Menger ihren Beruf. Aus Kostendruck müssen in Krankenhäusern immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit durchgeschleust werden. Die meiste Arbeit bleibt an den PflegerInnen hängen. Dabei ist der Krankenstand unter den Krankenschwestern selbst enorm hoch. Das DRK in Bremen hat deshalb seit April 1999 einen Pflegepool gegründet, damit bei personellen Engpässen die Pflegerinnen ausgetauscht werden können. pipe