: Nur bunt ist nicht genug
Beim Christopher Street Day am 23. Juni stellen sich Homosexuelle „que(e)r gegen Rechts“. Veranstalter wollen die Parade wieder mehr politisieren. Paul Spiegel erhält Preis für Zivilcourage. Regenbogenfahne weht erstmals vorm Roten Rathaus
von DANIEL FERSCH
Nach der Love Parade hat sich der Christopher Street Day (CSD) zur größten Open-Air-Veranstaltung der Stadt gemausert. Auf der Parade bekennen sich jedes Jahr mehrere hunderttausend Schwule und Lesben farbenfroh zu ihrer Lebenseinstellung. Doch die größte europäische Veranstaltung der Schwulenbewegung soll sich nach dem Willen der Veranstalter vom „Berliner CSD e. V.“ dieses Jahr wieder mehr auf ihren politischen Ursprung besinnen. „Die schrille Tunte mit der Federboa ist eine Verkürzung unseres Anliegens“, betonte Michael Schmidt, Geschäftsführer des Vereins, am Montagabend bei der Vorstellung des CSD-Programms.
Am 23. Juni werden zum Motto „Berlin stellt sich que(e)r gegen Rechts“ etwa eine halbe Million Menschen auf der Demo-Strecke vom Ku’damm bis zur Siegessäule erwartet. Als Minderheit seien gerade Lesben und Schwule von rechtsextremen Übergriffen und Gedankengut bedroht, so Schmidt: „Wir wollen keine deutsche Leitkultur, sondern eine queere Lebenskultur.“ Diese und andere Forderungen sind, wie es sich für eine Demo gehört, in einem umfangreichen Katalog niedergeschrieben.
Doch mit der Forderungen und Transparenten soll es nicht getan sein: Auf der Abschlusskundgebung wird zum ersten Mal auch ein Preis für Zivilcourage verliehen. Geehrt wird unter anderem der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, für seine Rede am 9. November 2000 bei der Demonstration für Menschlichkeit und Toleranz am Brandenburger Tor.
Auch die große Politik steht dem Feiertag der Queer-Gemeinde inzwischen wohlwollend gegenüber. So wird Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) als Abschlussredner erwartet und Klaus Böger (SPD) als Berliner Bürgermeister die Parade eröffnen. Als Erfolg werten die Veranstalter auch, dass das Rote Rathaus zum erstmals mit der Regenbogenfahne beflaggt wird. Dennoch gibt es Konfliktpotenzial. So wenden sich die Veranstalter des CSD vehement gegen die Verfassungsklage der bayerischen CSU-Regierung gegen die „Schwulen-Ehe“.
Manchen sind diese Forderungen jedoch nicht genug. So gibt es auch dieses Jahr in Kreuzberg einen alternativen CSD. „Wir wollen uns nicht mit Politikern in eine Reihe stellen, die vollmundig Unterstützung signalisieren, aber trotzdem weiter Minderheiten diskriminieren“, so einer der Organisatoren vom SO 36. Die Demonstration unter dem Motto „Gut, besser, Kreuzberg“ sei aber keine Gegenveranstaltung, sondern eine Ergänzung zum „großen“ CSD. Auch Michael Schmidt vom CSD e. V. sieht keinen Konflikt: „Berlin ist groß genug für mehrere CSD-Veranstaltungen.“
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