: Sehr späte Sühne
Das Münchner Landgericht verurteilt den ehemaligen KZ-Aufseher Anton Malloth wegen Mordes und Mordversuchs zu „lebenslänglich“ – der 89-Jährige ist haftfähig
NÜRNBERG taz ■ Das Münchner Landgericht verurteilte gestern den 89-jährigen ehemaligen KZ-Aufseher und SS-Scharführer Anton Malloth zu lebenslanger Haft. Der Vorsitzende Richter Jürgen Hanreich hielt den Angeklagten des Mordes und Mordversuchs für schuldig. Mit seinem Urteil schloss sich das Gericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft an. Die Versuche der Verteidigung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu erschüttern und Malloths Verhandlungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen, schlugen fehl. Aufgrund von Gutachten hält Richter Hanreich den Angeklagten für haftfähig.
Von 1940 bis 1945 hatte der gelernte Fleischhauer Anton Malloth im Gestapo-Gefängnis „Kleine Festung“ in Theresienstadt Angst und Schrecken verbreitet. Malloth, der wegen seiner Eitelkeit „schöner Toni“ genannt wurde, hat sich, so bestätigten mehrere Zeugen, durch besonders grausame Aktionen hervorgetan. „Er war wie ein Teufel“, berichtete ein aus Wien angereister ehemaliger Häftling. Zwei Vorkommnisse, an die sich die Zeugen detailliert erinnern konnten, wurden dem SS-Scharführer nun zum Verhängnis.
Malloth hatte 1944 auf einen jüdischen Häftling, der sich nach einem Arbeitseinsatz nicht ordnungsgemäß zurückgemeldet hatte, mit einem dicken Haselnussstock „wie von Sinnen“, so ein Zeuge, eingeprügelt. Als der Gefangene zu Boden ging, trat Malloth den Mann mit den Stiefeln in die Rippen. Der 25-minütige Gewaltausbruch endete mit dem Tod des Häftlings.
Ein Jahr zuvor hatte Malloth einen jüdischen Gefangenen zusammengeschlagen und mehrere Schüsse auf ihn abgefeuert. Der Mann hatte bei Erntearbeiten versucht, einen Blumenkohl unter seiner Kleidung zu verstecken. Da nicht feststeht, ob dieser zweite Mann auch tatsächlich an den Folgen von Malloths Torturen starb, wurde dieser Fall nur als Mordversuch gewertet. Der Angeklagte habe „nicht aus Gleichgültigkeit“ gehandelt, sondern „den Hass gegen Juden und politische Verfolgte“ verinnerlicht, begründete Richter Hanreich die lebenslange Haftstrafe.
Malloth war schon einmal verurteilt worden: Ein tschechisches Gericht hielt 1948 die Todesstrafe für den Aufseher für angemessen. Doch Malloth war zunächst nach Innsbruck und dann nach Meran geflüchtet. Dort lebte er unbehelligt, bis ihn Italien 1988 nach Deutschland abschob. Insgesamt dreimal hat die Staatsanwaltschaft in Dortmund in der Folgezeit das Verfahren gegen ihn eingestellt. 1999 meldete sich ein neuer tschechischer Zeuge. Die Dortmunder Anklagebehörde zeigte kein Interesse und gab das Verfahren nach dem Wohnortprinzip nach München ab, wo Malloth in einem Altenheim lebte.
Was die Dortmunder Behörde jahrelang nicht schaffte, erreichten deren Münchner Kollegen in wenigen Monaten. Malloth wurde im vergangenen Mai verhaftet, im Dezember stand die Anklageschrift wegen Mordes in drei Fällen und Mordversuches. Da ein weiterer zur Anklage gebrachter zweifacher Mord dem SS-Aufseher nicht eindeutig zugeordnet werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren ein. BERND SIEGLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen