Müde Hunde

Enttäuschende Eröffnung des letzten Festivals Junge Hunde auf Kampnagel  ■ Von Karin Liebe

Res Bosshart wirkt müde. Bei seiner ultrakurzen Eröffnungsrede fällt kein Wort des Bedauerns da-rüber, dass das neunte Junge Hunde-Festival auf Kampnagel auch das letzte dort sein wird. Nur zwei kurze Statements gibt der nach sieben Jahren scheidende Kampnagel-Chef ab. Erstens: Das Junge-Hunde-Festival gehe weiter. Es stehe nur noch nicht fest, in welcher Stadt. Und zweitens: Dieses Festival hätte ihm Leiden beschert. Weil er nämlich alljährlich daran merkte, wie er älter würde, während die Jungen Hunde immer jung blieben.

Müde und melancholisch beginnt der Abend, müde und fade klingt er aus. Mindhunter, ein Theaterprojekt der Frankfurter Gruppe TMT Jones nach Joyce Carol Oates' Roman Zombie, ist Poptheater aus der Schublade. Die Anzahl an Zuschauern ist erstaunlich spärlich. Ist auch das Publikum der Jungen Hunde müde geworden, oder liegt es an der parallel stattfindenden Premiere von Jan Bosses Oedipus am Schauspielhaus?

Mindhunter entfaltet sich zu einem erstaunlich öden Psychogramm eines Serientäters – mit dem Spannungsgehalt eines Heimvideos vom letzten Grillabend. Auf der Bühne brutzeln Würstchen, die auf Papptellern mit Brötchen im Publikum verteilt werden, später spielen drei junge Männer, die sich alle nacheinander als Stéphane Bittoun, Peter Dischkow und Sebastian Richter vorstellen, mit Zitronen Boccia.

Spiel mit Identität und zerstü-ckelte Textvorlagen, das kennt man zur Genüge vom jungen Theater. Hier verlieren sich die vier Darsteller (inklusive Tobias Zander als DJ im Hausmeisterkittel) heillos in Banalitäten und vergessen darüber fast, den harmlosen Grillabend in einen Thriller zu verwandeln. Plötzlich, als wäre es ihnen wieder eingefallen, fallen sie kurz vor Schluss mit der Tür ins Haus, setzen sich simultan schwarze Lockenperücke, Baseballkappe und Sonnenbrille auf und markieren den unheimlichen Psychopathen. Zum Trash fehlt der Witz, zum Psychothriller das Fingerspitzengefühl.

Auch die Tanztheatergruppe Latrinité aus Belgien hat in Limbus Patrum Probleme mit dem Timing. Doch im Gegensatz zu TMT Jones sind sie komisch und voller Selbstironie. Drei ältere Frauen sitzen stoisch in der Wartehalle eines Flughafens. Da tanzen drei junge Männer zu Wagnermusik herein und buhlen um die Aufmerksamkeit der Frauen. Weil diese Frauen so gar nicht jung und kna-ckig aussehen und die Machos ignorieren, ist das Gebalze der Tänzer umso befremdlicher. Sie marschieren wie Soldaten, stolzieren wie Toreros und werfen sich theatralisch zu Boden. Höhepunkt: ein pathetischer Striptease, der mit heruntergelassenen Hosen und übertriebenem Muskelspiel endet. Dieses energiegeladene Tanztheater erinnert tatsächlich an ausgelassene junge Hunde. Sie tollen wild und putzig herum, springen aber allzu oft in der selben Manier nach oben und jagen demselben Ball hinterher. Aber immer noch tausendmal vergnüglicher und anregender als redundantes Poptheater.

Ein letzter Blick auf Res Boss-hardt, der am späten Abend in Katharina Oberliks beklemmender Installation ShowRoom I, einer Ausstellungsvitrine für Voyeure, im Foyer zu begutachten ist. Müde wirkt er nicht mehr, eher abgeklärt. Und so endete auch seine Eröffnungsrede. Er fühle sich zwar älter, aber auch von Jahr zu Jahr weiser. Die Jungen Hunde hingegen müssen immer wieder in die gleichen Fallen tapsen.

 Limbus Patrum: Sonnabend, 19.30 Uhr, k2; Mindhunter: Sonnabend, 21 Uhr, k1; ShowRoom I: Sonnabend, 15. + 16. Juni, ab 19 Uhr, Foyer und andere Orte, alle Kampnagel

Die nächsten Premieren des Junge Hunde-Festivals auf Kampnagel: SUSHI Love: Mi, 6. Juni, 20 Uhr, k6; Doppelprogramm The Holiday und Suddenly. Anyway. Why ...: 7. Juni, 20 Uhr, k1; Bidt in Space: 8. Juni, 19.30 Uhr, k2; Doppelprogramm Hov, Hov, Suzana und Heute ist mein Geburtstag: 13. Juni, 19.30 Uhr, k2