Diese dunkle Seite

■ „Hamburger Balkonmonster“ gesteht vor dem Hannoveraner Landgericht zahlreiche Vergewaltigungen in Norddeutschland und deutet an, sie „aus Rache“ begangen zu haben

Die Taten waren gut vorbereitet. Ein Rucksack lag im Auto bereit, bepackt mit Elektroschockgerät, Maske und Chloroform. Schon Tage zuvor hatte er Autokennzeichen gestohlen und vor sein Nummernschild montiert. Hans-Joachim B. will aber nicht wissen, wofür er diese Vorbereitungen getroffen hatte. Auch wenn er losfuhr, habe er nicht gewusst, dass er in eine Wohnung einbrechen, eine Frau ans Bett fesseln und mehrfach vergewaltigen würde. Neun Vergewaltigungen und zwei versuchte in Hamburg und im Raum Hannover werden dem 38-Jährigen vorgeworfen, der als „Balkonmonster“ monatelang Frauen in Norddeutschland in Angst versetzt hatte. Seit gestern steht Hans-Joachim B. vor dem Hannoveraner Landgericht.

Es scheint, als würden sich in dieser Person zwei Männer vereinen: Der im Gerichtssaal und der, der zwischen Dezember 1999 und Oktober 2000 Frauen quälte. Der Angeklagte Hans-Joachim B. spricht mit warmer Stimme und sagt, dass er sich für seine Taten schämt. Der Täter Hans-Joachim B. hatte die Frauen über Stunden festgehalten, immer wieder vergewaltigt, bestohlen und mit dem Tode bedroht. Er stellt es dar, als führte diese dunkle Seite in ihm ein Eigenleben, auf das er keinen Einfluss habe: „Ich bin einem unbewussten Plan gefolgt“, sagt der Angeklagte: „Was all die Stunden durch meinen Kopf gegangen ist, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.“

Der gelernte Maschinenschlosser lebte in einem Mietshaus in Wilhelmsburg. Er arbeitete als Kaufmann in der Zeit, in der er die Vergewaltigungen beging. Dass er im Oktober festgenommen wurde, ist einem Zufall zu verdanken: Streifenpolizisten fiel der schmuddelige VW-Bus auf, mit dem er an jenem Tag unterwegs war. Sie kontrollierten den Wagen. Auf der Ladefläche lag eine Frau, in Ketten gefesselt. Seit 20 Stunden war sie in der Gewalt von Hans-Joachim B.

Die Misshandlungen hatte er stets über Stunden ausgeweitet. Zwischen den Vergewaltigungen holte er mit der Scheckkarte der gefesselten Frau Geld, trank etwas oder setzte sich zum Essen in die Küche. „Das gehört zur Rache dazu“, deutet Hans-Joachim B. einmal an, als das Gericht ihn nach dem Sinn der Diebstähle fragt.

An wem und wofür er Rache nehmen wollte, wird er dem Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit darlegen. Das haben seine Verteidiger beantragt, da „Umstände zur Sprache kommen werden, die seine schutzwürdigen Interessen verletzen würden“. Der Angeklagte sei als Jugendlicher selber sexuell missbraucht worden: „Er ist ein Mensch, und nicht ein Monster.“

Die misshandelten Frauen sind am ersten Verhandlungstag nicht vor Gericht erschienen. Ab der kommenden Woche sollen sie als Zeuginnen aussagen. Einige warten auf den Tag, sagt Nebenklageanwalt Piet Diepholz, „um durch ihre Aussage mit der Sache abzuschließen“. Andere fürchten sich sehr davor. Deren AnwältInnen wollen beantragen, ihnen die Aussage zu ersparen. Elke Spanner