kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Kegeln

Es muss sein, also bringen wir es hinter uns. „Alle fragen das“, stöhnt Rolf Großkopf, als die Sprache auf das Kneipenimage seines Sports kommt, auf nicht ganz austrainierte Sportler, eine Fluppe zwischen den Schüben, ein Bierchen zum Aufwärmen. Dann hält Großkopf, der Pressesprecher des Deutschen Keglerbundes (DKB), seinen bereits leicht einstudiert wirkenden Vortrag: Beim Sportkegeln wird während eines Punktspiels ebenso wenig oder viel geraucht und getrunken wie bei anderen Sportarten.

Das miese Image des Kegelns rühre vor allem daher, dass man die Hallen selbst finanzieren muss. Eine wettkampftaugliche Anlage mit zwölf Bahnen kostet nun mal um die drei Millionen. Da das über Vereinsbeiträge nicht zu finanzieren ist, vermietet man abends an Hobbykegler und betreibt Gastronomie. So wird die Leibesertüchtigung zum Freizeitvergnügen und die Außenwirkung ein Problem. Und das wettkampforientierte Sportkegeln hat Nachwuchsprobleme.

Zwar geht man allgemein von bis zu 17 Millionen Freizeitkeglern aus, die regelmäßig eine ruhige Kugel schieben, aber organisiert im DKB sind gerade mal knapp 160.000 Mitglieder. „Uns fehlen vor allem die Jahrgänge zwischen 20 und 40 Jahren“, erzählt Großkopf. Die Aktiven-Zahlen sinken in fast allen der vier verschiedenen Bahnarten. Auf den vor allem in Norddeutschland bespielten Bohle-Bahnen und der eher im Westen beliebten Schere gibt es immer weniger Vereinskegler. Die mittlerweile Classic geheißene Asphalt-Variante, die größte Sektion im Keglerbund, stagniert. Nur im Bowling steigen die Zahlen langsam an, weil in den neuen Bundesländern ein Nachholbedarf befriedigt wird und immer noch neue Bahnen gebaut werden.

Noch aber dominiert in Berlin und Brandenburg die Bohle, bei der die bis zu 1,83 Kilogramm schwere Kugel in einer 4,5 Millimeter breiten Kehlung zu den neun Kegeln gerollt werden muss. Die Frauen von FE 27 Spandau spielen in der Bundesliga, bei den Männern Rot-Weiß VGK Berlin und Motor Hennigsdorf. Gerade aufgestiegen in die oberste Spielklasse ist zudem die Spielvereinigung MPV/NKC 72 Berlin. Meister wurden allerdings bei den Männern Rivalen Hannover und Ahoi Hamburg bei den Frauen.

Das in anderen Randsportarten mittlerweile verbreitete Halbprofitum ist im Kegeln noch kaum zu beobachten. Zwar werden für Classic-Bundesligaspiele schon seit den Achtzigern immer mal wieder Spitzenleute aus dem Ostblock verpflichtet, „aber das sind auch nur ein paar Rumänen, die den Flug und ein paar Mark bekommen“, so Großkopf. Und selbst das können sich nur drei oder vier Klubs leisten. Auch beim Bowling ist man von einer Profi-Tour mit TV-Übertragungen wie in den USA weit entfernt. Bei den Turnieren winken nur kleinste Preisgelder.

Bohle dagegen ist „ein reiner Amateursport“, verkündet Großkopf nicht ohne Stolz. Selbst wenn ein Klub mal einen Sponsor findet, mehr als ein Trainingsanzug und Fahrkostenzuschüsse sind nicht drin. Da trifft es sich gut, dass durch die regionale Verbreitung der einzelnen Bahnarten zumindest diese Kosten in der Bundesliga nicht explodieren: „Von der Nordseeküste bis Berlin, das ist die weiteste Fahrt in der Bohle.“

Nur alle zwei Jahre geht es weiter weg. Da steht das traditionell einzige Auswärtsländerspiel in Dänemark auf dem Plan. In den Zwischenjahren kommen die Dänen zum Rückspiel. Weltweit wird sonst nur noch in Polen auf Bohle gekegelt, aber dort fehlt das Geld für einen Länderspielbetrieb. Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch bei unseren Nachbarn im Osten hin und wieder ein kleiner Wodka finanzierbar bleibt. THOMAS WINKLER

Auf der Außenseiterskala von 0 bis 12: 11 Punkte (Sportkegeln) bzw. 1 Punkt (Freizeitkegeln)