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Showdown im Grunewald

Heute entscheidet sich im Koalitionsausschuss die Zukunft der Zusammenarbeit von CDU und SPD: Wird der Streit nicht beigelegt, wollen die Sozialdemokraten morgen den Ausstieg beschließen

von ANDREAS SPANNBAUER

Die große Koalition steht vor dem großen Knall. Noch heute Abend, wenn der Koalitionsausschuss im Senatsgästehaus im Grunewald zusammenkommt, wird die Vorentscheidung über Fortsetzung oder Bruch des Regierungsbündnisses fallen.

Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) loteten gestern Abend in einem geheimen Gespräch unter vier Augen letzte Einigungsmöglichkeiten über einen Fortbestand der Zusammenarbeit aus. „Die Lage der großen Koalition ist sehr ernst“, sagte Strieder im Vorfeld des Treffens. In der SPD hieß es, der Landesvorsitzende wolle Diepgen noch einmal „in aller Eindringlichkeit“ zur Vorlage eines Gesamtkonzepts zur Bewältigung der schweren Haushaltskrise auffordern. Es habe „keinen Sinn mehr, über einzelne Milliönchen zu verhandeln“. Der SPD-Abgeordnete Klaus-Uwe Benneter drohte: „Entweder es gibt von Diepgen einen verbindlichen Gesamtplan, wie die Strukturprobleme, die Probleme mit der Bankgesellschaft und der Nachtragshaushalt zu lösen sind, oder aber die Koalition ist am Ende.“

Die Sozialdemokraten fordern von Diepgen klare Strukturentscheidungen. Dazu gehören nach Ansicht der SPD unter anderem betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst, eine Verschiebung des Ausbaus der U-Bahn-Linie 5 sowie weit reichende Einsparungen bei Polizei und Justiz, etwa die Auflösung des freiwilligen Polizeidienstes. Außerdem soll die Opernreform auf den Prüfstand gestellt und Ausbildung der Hochschulmediziner umstrukturiert werden.

Die CDU lehnt diese Vorschläge ab. Diepgen will vor allem im Gesundheitswesen und in der Arbeitsmarktpolitik drastische Einsparungen vornehmen. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kaczmarek hat zudem den Verkauf derlandeseigenen Dienstgebäude, der Bäderbetriebe und des ICC vorgeschlagen. Hier könne ein dreistelliger Millionenbetrag gespart werden. Die SPD hat gegen diese Vorschläge ihrerseits Widerstand angekündigt. Der Regierende Bürgermeister ließ sich gestern die Einsparvorschläge der einzelnen Senatsverwaltungen vorlegen. In den Behörden war dafür über Pfingsten praktisch durchgearbeitet worden.

Nun muss im Koalitionsausschuss eine Einigung herbeigeführt werden. An dem Treffen nehmen für die CDU neben Diepgen der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Steffel und Generalsekretär Ingo Schmitt sowie möglicherweise Finanzsenator Peter Kurth teil. Die SPD ist durch den Landesvorsitzenden Strieder, Fraktionschef Klaus Wowereit sowie Schulsenator Klaus Böger vertreten. Hält die SPD den von Diepgen vorgelegten Finanzplan nicht für tragbar, wollen Fraktionsvorstand und Landesvorstand morgen früh den Ausstieg aus dem Bündnis mit der CDU beschließen. In der SPD wird dies als eine mögliche Option betrachtet. Im Anschluss müsste ein Sonderparteitag die Entscheidung bestätigen.

Auch in der CDU schließt man inzwischen einen Crash der Koalition nicht mehr aus. „Die SPD muss sich entscheiden, ob sie die Koalition beenden oder zur Sacharbeit zurückkehren will“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Steffel. Die CDU sei bereit, „bis an die Grenze zu gehen“, um die Bildung einer Regierung aus SPD, PDS und Grünen zu verhindern.

Die Stimmung zwischen den beiden Parteien ist seit Wochen auf dem Tiefpunkt. SPD-Fraktionschef Wowereit war zu den letzten Senatssitzungen nicht mehr erschienen. Das Verhalten mancher Sozialdemokraten sei „menschlich empörend“, sagte Steffel. Die CDU sei auf das Krisengespräch „perfekt vorbereitet“. Auf die Frage, ob er mit einem Fortbestand der Koalition rechne, sagte er lediglich: „Wir sind zu einer Einigung bereit.“

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