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Die endlos klammernde Liebe der Seepferdchen

■ Regina Wenigs Theaterperformance „SUSHI love“ beim Festival „Junge Hunde“ auf Kampnagel

Ohne Wasser gibt es kein Leben. Folglich keine Lust, keine Liebe und kein Leid. Ganz im Zeichen des Lebensspenders Wassers steht SUSHI love – Liebe und Tod in Japan beim Einsetzen der Dämmerung, der dritte Teil eines Japan-Projekts von Regina Wenig (Konzept und Regie) und Muriel Nestler (Konzept und Ausstattung).

Die Kampnagel-Bühne füllt ein riesiges Wasserbecken, daneben ein Wasserspendeautomat. Wozu das ganze Wasser? Weil es als Sinnbild für den Lebensfluss im Allgemeinen steht? Oder weil es im buddhistisch geprägten Inselreich Japan eine besondere Bedeutung hat? Spekulieren kann man eine Menge bei dieser phantasievollen, sehr ästhetischen Performance. Sie verwebt Japan-Klischees mit allen Stadien einer ganz normalen Liebesgeschichte.

Auf dem Grund des Wasserbe-ckens sind die Umrisse eines Seepferdchens zu erkennen. Dieses Tier, so heißt es später, symbolisiere vielleicht am besten unsere Zeit. So wie der lachende, immer freundliche Delphin die sechziger Jahre verkörpert hätte, so symbolisierten die stundenlang eng aneinander geschmiegten Seepferdchenpaare die Gegenwart. Klammern als moderne Liebeskrankheit? Beim Liebespaar in SUSHI love jedenfalls kann der Mann nicht loslassen und verfolgt seine nach Freiheit dürstende Geliebte in einer Art wandelnder Umkleidekabine. Oder sollen die zweigeschlechtlichen Seepferdchen Androgynität als Zeichen unserer Zeit ausdrücken? Auch ein Transvestit tritt auf, der Märchen aus Japan erzählt: vom Eiszapfenmann und der Schuppenfrau. Immer enden diese Geschichten nach Motiven aus Yoko Tawadas Erzählung Das Bad mit dem Tod.

Im flachen Wasser spielt sich dagegen das Leben ab. Zwei im Mangastil gekleidete Frauen marschieren durchs Becken, das Paar streitet sich, es wird wild herumgespritzt. Nachdem sich das Paar versöhnt, wieder zerstritten und schließlich getrennt hat, wiegt die Frau seine Jacke erst wie ein Kind im Arm, dann schlägt sie sie ins Wasser und trampelt auf ihr herum. Wasser als Symbol für Gefühle. Manches bei dieser Performance bleibt allerdings sanftes Wellengekräusel ohne Untiefen. Hübsch formieren sich die Darsteller zu einem Wasserballett. Schön illuminiert ist das Ganze, effektvolle Spiegelungen ergeben sich. Was aber all die Szenen insgesamt ergeben sollen, bleibt unklar. Andeutungen, keine Antworten. Vielleicht ist das ja sehr japanisch – und sehr modern.

Karin Liebe

nur noch heute, 20.30 Uhr, k6

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