piwik no script img

Der Wettbewerb ruft

Heute: Internationales beim KurzFilmFestival  ■ Von Tim Gallwitz

Mit Kurzfilmprogrammen ist es ja so wie mit verpackten Präsenten: Was drin ist, steht nicht drauf, und ob eine Spaß hat, weiß sie erst hinterher. Um diejenigen, die ungern kalt erwischt werden, etwas anzuwärmen, seien einige beschreibende Worte gereicht zu den Programmen des Internationalen Wettbewerbs (IW) beim derzeitigen KurzFilmFestival. Ans Auge gelegt sei da zunächst IW 8. Donuts for Breakfast von der Neuseeländerin Felicity Morgan-Rhind etwa gelingt es, sich dem Missbrauch (laut Auswahlteam eines der am häufigsten eingereichten Themen) einfühlsam und völlig unaufgeregt zu nähern. Eine tiefe filmische Berührung, die auch der eindrucksvollen Hauptdarstellerin zu danken ist.

In Ursula Meijers Tous a Table – einem der echten Kracher des Festivals! – stürzt die schlichte Rätselaufgabe um drei Ameisen eine Geburtstagsfeier ins eskalierende Tischgespräch mit Contenanceverlust. Wie dieser Halbstünder die Spannung hält, ist atemberaubend und preisverdächtig. In Modern Daydreams (Mitchell Rose) schließlich gehen Mensch und Maschine rhythmische Verbindungen ein, die Teile des Publikums zu Bemerkungen wie „Tanzfilme mag ich an sich ja gar nicht, aber dieser...“ hinrissen.

Mensch und Maschine auch im IW 6: Mit der Hand auf dem Kopierer fängt es an, bis in Virgil Wildrichs Copy Shop schließlich tausende Kopien des Mannes aus der Lichtpausanstalt herumlaufen. Die etwas verschenkte Story tarnt sich hier unter ansehnlichem Oberflächenchic. Stapler oder Splatter ist darauf keine Frage, denn bei den Arbeitsunfällen mit Flurförderfahrzeug fehlt auch die gute alte Kettensäge nicht... IW 6 beginnt und schließt mit Sommer: jugendliche Ödnis mit Freizeittotschlag im ungarischen (Kornél Mundvuczós Afta), Ästhetik des Turmspringens im finnischen Sommer. Hyppääjä von PV Lehtinen ist ein zum Weinen schönes Stück Schwarzweißfilm, in das man mit Turm-Altmeis-ter Helge Wasenius (Jahrgang 1927) und zur Musik von Moby ganz tief und entspannt eintauchen kann.

Experimentierwilliger kommt IW 2 daher. Da präsentiert De Tuin (Dan Geesin, Esther Rots) eine Art Denver Clan als Fotostory und buchstabiert das Blick- und Bewegungsregime auf einem Landsitz der holländischen Upperclass durch. Ein klasse Beispiel für den Abstrahierungseffekt leichter Verfremdung. Beket (Aktan Abdykalykov, Ernest Abdyjaparov) bekommt auf den Stimmkarten entweder -3 oder +3 – dazwischen gibt es nichts: 30 Minuten lang in zwei Einstellungen und mit acht Schnitten Menschen beim Warten auf den Bus zuzusehen, das ist im Kapitalismus ja geradezu doppelt verlorene Zeit.

In Kirgisistan oder Russland, woher Polustanok kommt (IW 4), der ähnlich lang schemenhaft Menschen beobachtet, die auf einen Zug warten, scheint die Gleichmut ausgeprägter, was das Warten (auf Verkehrsmittel) betrifft. Nur Mut, sage ich da, manchmal erschließt sich erst in der Hingabe an einen Film dessen ganze Schönheit.

Beim heutigen Open Air ist Mut da nur angesichts der Wetterlage gefragt, denn die gezeigten Filme sind sämtlich vorfilmkinotauglich, mithin also fürs breite Geschmäckle ausgesucht – keine Experimente eben...

 heute: IW 8, 17.30 Uhr, zeise 2; IW 6, 20 Uhr, zeise 1; IW 2, 22.30 Uhr, Metropolis; Open Air: ab 22.30 Uhr, Kemal-Altun-Platz, Ottensen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen