: Herr, gib uns Bodenhaftung
■ Geistlicher Beistand für Biker: 18. Motorradgottesdienst am Sonntag
Wenn Motorradfahrer auf zwei Rädern durch die Landschaft brausen, sind sie nicht nur schneller als andere, sondern auch verletzlicher. Deshalb betet der Biker und Pastor Erich Faehling oft im Stillen dafür, dass sie heil ans Ziel kommen. Jedes Jahr beim Motorradgottesdienst in und vor der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis beten viele tausend Motorradfahrer mit ihm. Auch morgen, wenn Pastor Faehling zum sechsten Mal beim größten Motorradfahrer-Gottesdienst Europas in der Hansestadt predigen und anschließend den Konvoi der Motorradfahrer vom „Michel“ zum Volksparkstadion anführen wird. Rund 20.000 Besucher werden beim 18. Motorradgottesdienst erwartet.
Dass Biker und Kirche nicht zusammenpassen, hält Faehling für ein überholtes Klischee: „Zu Motorradfahrern kann ich biblischer und direkter über Gott sprechen als zu vielen anderen Menschen“, meint der 40-jährige Gemeindepastor von Bokhorst bei Neumünster. Für viele Zweirad-Begeisterte in der Hansestadt und Umgebung ist der Besuch beim Hamburger Motorradgottesdienst so selbstverständlich wie der sonntägliche Zweiradausflug an die Elbe.
„Trotzdem ist es mehr als nur ein Event“, glaubt Faehling. „Viele suchen besonders nach Unfällen Orientierung für schwierige Erfahrungen wie Verlust und Trauer.“ Dass solche Themen Biker besonders beschäftigen, beweisen unzählige Briefe und Anrufe, die den Pastor erreichen. Anders als sonst trauen sich beim Motorradgottesdienst auch viele „Kirchenmuffel“ ins Gotteshaus. „Durch den besonderen Charakter ist die Hemmschwelle niedriger“, meint Faehling.
Dass der Motorradgottesdienst so beliebt ist, liegt nicht zuletzt an der Persönlichkeit des Pastors, der selbst seit seiner Jugend Motorrad fährt. „Für mich bedeutet Motorradfahren einen unmittelbaren Kontakt zur Natur“, sagt Faehling. Das Hobby verbindet ihn auch mit anderen Bikern: „Auf dem Motorrad bildet man selbst die Außenschale und verzichtet auf Bequemlichkeit“, erklärte der Pastor.
Wie gefährlich das rasante Hobby sei kann, musste er schon am eigenen Leib erfahren, als er vor Jahren wegen eigener Unaufmerksamkeit mit dem Motorrad stürzte und im Krankenhaus landete. „Ich war erschrocken, wie schnell das gehen kann“, sagt Faehling. Seitdem weiß er, wie wichtig Bodenhaftung für Motorradfahrer ist. Darum wird sich auch seine Predigt am Sonntag drehen: „Gott gibt uns Bodenhaftung und zugleich einen weiten Spielraum, uns frei zu bewegen.“
Vivien Rehder
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