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Nonnen des Völkermordes schuldig

Belgisches Gericht verurteilt vier Ruander, darunter zwei Nonnen, für ihre Beteiligung am Völkermord an der Tutsi-Minderheit 1994. Die Nonnen luden die Mörder ins Kloster ein und trugen ihnen das Benzin, mit dem die Opfer angezündet wurden

von DOMINIC JOHNSON

„Schuldig“, urteilten die belgischen Geschworenen in der Nacht zu gestern beim Prozess gegen vier Ruander in Brüssel wegen Beteiligung am Völkermord 1994. Angeklagt waren die beiden Ordensschwestern Gertrude und Maria Kisito vom Benediktinerkloster Sovu nahe der Stadt Butare, Professor Vincent Ntezimana von der Universität Butare und Ruandas Extransportminister Alphonse Higaniro. Die Jury befand, sie hätten „die ihnen zur Last gelegten Verbrechen provoziert, angeordnet und die Mittel dafür zur Verfügung gestellt, oder sie haben es unterlassen, zu handeln, um sie zu verhindern oder zu beenden“. Noch gestern Abend sollte über das Strafmaß entschieden werden.

Acht Wochen lang ging es in einem Brüsseler Gerichtssaal um den Tod von über 7.000 Tutsi, die sich nach Beginn organisierter Massaker in Ruanda am 6. April 1994 in das Kloster Sovu geflüchtet hatten. Wie überall in Ruanda erwiesen sich die Kirchen während des Völkermords nicht als Schutz für verfolgte Tutsi, sondern als wichtigste Massakerorte. Am 22. April kamen Hutu-Milizen ins Kloster und töteten 5.000 bis 7.000 Tutsi-Flüchtlinge. 700 wurden bei lebendigem Leibe in einer Garage verbrannt. Drei Tage später wurden weitere 600 getötet. Die letzten 30 Tutsi in Sovu wurden am 6. Mai erschossen.

Die 31 Ordensschwestern blieben nicht nur unversehrt, sondern sollen auch den Mördern aktiv geholfen haben, sagten Zeugen in Brüssel. Die beiden angeklagten Schwestern, die später nach Belgien flohen, hätten den Milizen die Benzinkanister getragen, als die Garage mit 700 Tutsi darin angezündet wurde. Die Milizen seien freundlich ins Kloster gelassen worden. Schwester Gertrude, Leiterin des Konvents, habe dann Anfang Mai Butares Bürgermeister um „Befreiung“ von den letzten 30 Tutsi in ihrer Obhut gebeten. Viele der Aussagen kamen vom Chef der damaligen Miliz: Emmanuel Rekeraho, der 1999 in Ruanda zum Tode verurteilt wurde, wartet auf seinen Berufungsprozess.

Die Schwestern wiesen alle Anschuldigungen zurück. Sie erklärten sich für machtlos, was ihnen die Jury aber nicht glaubte. „Ich wollte das Kloster retten“, verteidigte sich Gertrude. „Ich habe vielleicht nicht getan, was ich hätte tun sollen, aber Massaker habe ich nie gewollt.“ Die anderen beiden Beschuldigten waren hauptsächlich wegen Finanzierung der Milizen angeklagt.

Es war der erste Prozess in Belgien nach einem Gesetz von 1993, das die Verfolgung von im Ausland begangenen Kriegsverbrechen erlaubt. Beobachter vermerkten, dass es diesen Prozess brauchte, um in Belgien Aufmerksamkeit für Ruandas Völkermord zu erregen, bei dem 1994 über 800.000 Menschen starben, vor allem Angehörige der Tutsi-Minderheit. Die meisten internationalen Medien haben über dieses Verfahren mehr geschrieben als über alle Völkermordprozesse in Ruanda und vor dem UN-Tribunal im tansanischen Arusha. Dort beginnt am Montag ein Prozess gegen sechs leitende Politiker aus Butare – ohne internationale Presse.

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