piwik no script img

Die Sache mit dem Bonbon-Papier

Trennung vom Partner heißt in der Regel auch Trennung vom gemeinsamen Kind: Teilzeiteltern tauschen ihre Erfahrungen aus. Auch Angehörige sind willkommen  ■ Von Kaija Kutter

„Ich bin eigentlich ein Frauvater“, sagt Reiner. „Ich wollte nie nur das Geld ranschaffen, ich wollte immer auch meine Kinder erziehen.“ Mit feuchten Augen erzählt er seine Geschichte, immer wieder mischt sich der Schmerz über die Trennung, „dass ich da gegen jemanden einfach ausgetauscht wurde“, mit dem Unmut darüber, dass seine Ex-Frau und nicht er das Sorgerecht für die Töchter bekam.

Elf und sieben Jahre alt sind die Mädchen und würden lieber beim Vater leben, sagt Reiner. „Aber jetzt, am Wochenende, habe ich es geschafft, dass meine Kinder am Sonntag abend wieder fröhlich zur Mutter gegangen sind.“

Seine Leidensgefährten nicken. Der Moment des Abschieds nach 48 Stunden Elternsein ist stets der schwierigste. Wie gestaltet man die Zeit, in der Regel alle 14 Tage ein Wochenende, die einem bleibt, wenn die Kinder beim anderen Partner leben. Nur Eis, Video und Schlittschuhbahn?

Das mit dem Trennungsschmerz bearbeitet er in einer anderen Gruppe, berichtet Reiner. Aber wie er mit seinen Wochenend-Kindern umgeht, darüber redet er an diesem Abend beim Treff der „Teilzeiteltern“ in der Elternschule Barmbek.

Anja Hoppe ist alleinerziehende Mutter, leitet die Gruppe und repräsentiert die Gegenseite: „Meine Tochter hat sich am Wochenende mit ihrem Vater gestritten. Und ich fand das positiv“, gesteht sie. Endlich höre die Tochter auf, ihren Vater zu glorifizieren, und es herrsche, „nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen“. Nicht nur die Schokoladenseite zeigen, auch eigene Bedürfnisse einbringen und Konflikte riskieren – das ist wichtig, da sind sich an diesem Abend alle sechs Gesprächspartner einig. Reiner fällt eine Geschichte dazu ein: „Meine Tochter hat ein Bonbon-Papier auf den Boden geworfen. Da hab ich gezögert, aber dann doch gesagt, 'heb das auf'. So hätte ich früher auch reagiert.“

Zustimmung. „Kinder müssen Klarheit haben, das ist das wichtigste überhaupt“, sagt Bärbel. Sie ist Großmutter und kann ihre neun Monate alte Enkeltochter nicht sehen. Ein Vierteljahr nach der Geburt trennte sich ihr Sohn von der Mutter des Babys. Trotz gemeinsamen Sorgerechts muss nun mit Anwälten über Besuchszeiten gestritten werden. Die Dulsberger Gruppe ist auch für Angehörige offen. Partner dürften den Trennungsstreit „nicht übers Kind ausfechten“, sagt die Oma. Auch wenn man der Mutter eines so kleinen Säuglings Verletztheit zugestehen müsse.

Trennungsgeschichten sind meist hart und brutal. Das 1998 erneuerte Kindschaftsrecht ermöglicht zwar das „gemeinsame Sorgerecht“, aber „ein Richter, der 40 Jahre seinen Job gemacht hat, der denkt nicht mehr um“, sagt Günther, der den Trennungsstreit um seinen Neffen mit durchlitt. „Der, bei dem das Kind sich ständig aufhält, ist der Mächtigere“, ergänzt Reiner. Und: „Müttern wird einfach mehr geglaubt“, sagt Bärbel. Trennungsgeschädigte unter sich.

Jede dritte Ehe wird geschieden. Damit der Schaden kleiner wird, gibt es neue Methoden. „Mediation“, heißt eine neue Beratungsform, auf die sich zunehmend auch Anwälte und Psychologen spezialisieren. Statt sich von zwei streitenden Anwälten vertreten zu lassen, können Paare zur Regelung ihrer Trennung zum „Mediator“ gehen. „Für das Wohlergehen der Kinder ist es entscheidend, dass Eltern es hinkriegen, Absprachen zu treffen“, sagt Regina Harms vom Hamburger Institut für Mediation.

Doch egal, wie es ausgeht, rund 4000 Hamburger Eltern werden jährlich von ihren Kindern getrennt. „Es gibt zahlreiche Gruppen für Alleinerziehende. Aber für die verlassenen Eltern fehlt ein solches Netzwerk“, sagt der Psychologe Jens Dahm, der die Gruppe mit aus der Taufe hob.

Geteiltes Leid ist eben halbes Leid. Aber über den reinen Erfahrungsaustausch hinaus soll die Gruppe auch praktischen Nutzen bringen. Es geht, so Dahms, auch um viele „lebenspraktische Dinge“ wie den Austausch von Anwälten und Adressen. „Ich wünsche mir, dass diese Gruppe größer wird“, sagt Reiner. Er würde sich gern ein „Wochenend-Soziales-Umfeld“ schaffen, Ausflüge mit anderen Teilzeiteltern machen, „damit meine Kinder andere kennenlernen, die eine ähliche Situation haben“.

Die „Teilzeiteltern“ treffen sich immer donnerstags im Zwei-Wochen-Rhythmus – das nächste Mal am 14. Juni – um 19.30 Uhr in der Elternschule Barmbek, Alter Teichweg 200. Das Institut für Mediation ist telefonisch unter 29 22 74 zu erreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen