nebensachen aus warschau: Die seltsamen Wege der Telekomunikacja
Wie man im Gefängnis landet
Der polnische Staat mutet seinen Bürgern nicht nur eines der teuersten, sondern auch eines der schlechtesten Telefonsysteme zu. Alle zwei Monate mindestens brechen alle Leitungen zusammen, oder man ruft statt beim gewünschten Gesprächspartner immer wieder im Städtischen Gefängnis an. Auch bei den Internetverbindungen hat Polen noch nicht ganz das „Autobahn“-Zeitalter erreicht.
Doch zurück zum Telefon: Als ich wieder mal statt im Warschauer Außenministerium im Gefängnis angerufen hatte, war ich es leid: „Ich gehe jetzt über Satellit. Diese blöde Telekomunikacja muss doch zu umgehen sein!“, sagte ich mir, durchforstete das Telefonbuch, rief bei Tele2 an – und war wieder mit dem Gefängnis verbunden.
Okay, also per Handy. Bei Tele2 brauchte die Telefonistin – „ich bin hier nur Aushilfe“ – eine halbe Stunde, um den Experten für Satellitentelefone ausfindig zu machen. Der kam schnell zur Sache: „Morgen, passt Ihnen das?“ Er kam, ich unterschrieb den Vertrag, der erst gültig werden sollte, wenn ich die Genehmigung für die Montage der Antenne auf dem Dach beigebracht hatte. Etwas ratlos wendete ich das Formular hin und her: „Wer genehmigt eine Antenne auf dem Dach?“
Die Hausverwaltung, erfuhr ich. Am nächsten Tag stand ich dem Antennengenehmigungsverwalter gegenüber. Der lehnte sich in seinen Bürostuhl zurück, grinste breit und wenig sympathisch: „Sie wollen also eine Antenne auf dem Dach anbringen lassen?“ Ich: „Ja, genau.“ Er: „Waren Sie schon mal auf dem Dach?“ Ich: „Nein, warum? „Er: „Ja, wenn Sie auf dem Dach gewesen wären, hätten Sie gesehen, dass da schon sehr viele Antennen sind. „Ich etwas verständnislos: „Ja und?“
Der Verwalter saß plötzlich wieder kerzengerade und grollte laut mit sich rötendem Gesicht: „Das reicht jetzt mit diesen Antennen!“ Ich protestierte leicht fassungslos: „Wenn da schon viele Antennen stehen, kommt es doch auf eine mehr oder weniger nicht mehr an.“
Der Verwalter knallte einen Stempel auf das Formular und reichte mir ein fünf mal fünf Zentimeter großes Zettelchen mit einer Telefonnummer: „Das ist Ihre Quittung! Kommen Sie in drei Monaten wieder vorbei. Dann bekommen sie die Ablehnung.“ Ich sah den Verwalter an, die „Quittung“ und wusste: Er will ein Bakschisch.
Kaum zu Hause, rief ich sofort die Nummer an, um die Höhe auszuhandeln. „Hallo?“, meldete sich die schon bekannte Stimme aus dem Gefängnis. Ich bekam fast einen Schreikrampf und hasste die Telekomunikacja, den Verwalter und diese vermaledeite Antenne. Meine Nachbarin, gefragt, wie viel Bakschisch angemessen sei, sah mich ungläubig an: „Wieso Bakschisch? Da macht man einen unleserlichen Krakel auf den Zettel, haut einen ebenso unleserlichen Stempel drunter, und das war’s.“
Ach so. „Und was ist, wenn das rauskommt?“, wage ich noch zu fragen. „Nichts“, sagt meine Nachbarin ungerührt, „ich würde Sie dann manchmal im Gefängnis anrufen.“ Ich nicke und frage: „Was halten Sie von einem Tausch unserer Telefonleitungen?“ GABRIELE LESSER
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