: Geheimprotokoll kam per Fax
Unbekannter schickt komplettes Botschafterpapier an die Justiz. Neue Schröder-Zitate
BERLIN afp/dpa ■ Die für die Bundesregierung höchst peinliche „Protokollaffäre“ weitet sich aus. Die komplette Mitschrift des vertraulichen Gesprächs zwischen Kanzler Gerhard Schröder, US-Präsident George W. Bush und anderen hohen Regierungsvertretern vom März liegt jetzt offenbar der Berliner Justiz vor. Das Papier sei ohne Absender per Fax im Vorzimmer von Generalstaatsanwalt Dieter Neumann eingegangen, berichtet der Spiegel. Die Juristen hielten das Schriftstück für authentisch.
Schon im Mai waren Auszüge des Protokolls bekannt geworden, das der deutsche Botschafter in den USA, Jürgen Chrobog, verfasst hat. Für Aufregung sorgten vor allem jene Passagen, in denen Chrobog den Kanzlerberater Michael Steiner mit den Worten zitiert, der libysche Staatschef Gaddafi habe eine Beteiligung an dem Anschlag auf die Berliner Discothek „La Belle“ eingestanden. Wie diese Passagen an die Öffentlichkeit gelangten, ist unklar. Die undichte Stelle konnte vom Auswärtigen Amt bisher nicht gefunden werden.
Stattdessen wurde das Protokoll nun offenbar vollständig der Justiz zugespielt. Die Absenderkennung zeige die Nummer eines öffentlichen Faxgerätes in Bonn, berichtet der Spiegel. Staatsanwalt Neumann habe das Fax zu den Gerichtsakten des „La Belle“-Verfahrens weitergereicht. Ein Regierungssprecher bestätigte, das Kanzleramt sei über den Eingang des Papiers informiert worden. Über die Authentizität des Faxes konnte er nichts sagen. Eine bereits angesetzte Vernehmung Steiners im „La Belle“-Prozess hatte das Berliner Landgericht am Dienstag abgesagt, nachdem die Bundesregierung den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangt hatte. Ob Steiner später vernommen werden könnte, ist noch offen.
Der Spiegel zitiert aus dem Gesprächsprotokoll auch eine Stelle, in der es um die US-Pläne für einen Raketenabwehrschirm geht. Darin heißt es über Schröder: „Er betonte, er betrachte Missile Defense differenzierter als mancher Kollege in Europa oder in D (Deutschland). Man müsse den defensiven Charakter dieses Programms unterstreichen, da es helfen könne, Atomarsenale zu verkleinern.“
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