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Bizarre Behörden-Träume

■ Nicht weniger als eine Viertelmillion Mark Ablöse soll der Jugendtreff Buchtstraße zahlen

Im Bauordnungsamt hat alles seine Ordnung. Deshalb fordert das Amt den Jugendtreff Naturfreundejugend e.V. in der Buchtstraße dazu auf, acht Auto- und 26 Fahrradstellplätze zu stellen. Oder die Ablösesumme von 255.200 Mark zu zahlen: Jeder Autoplatz kostet 28.000 im Jahr, Fahrradplätze gibt es schon für 1.200 Mark. Theoretisch gibt es sechs Plätze in einer Tiefgarage. Praktisch wird diese Garage seit rund 15 Jahren als Mehrzwecksaal genutzt.

„Wenn man die Mauer hinter unserer Theke im Keller einreißen würde, stünde man in der Tiefgarage der Arbeitnehmerkammer“, erklärt Geschäftsführerin Dörte Richter die verzwickte Miet- und Bausituation. Als damals ein Haus und damit der ehemalige Mehrzwecksaal der Naturfreundejugend abgerissen wurde, musste die Baugesellschaft auf politischen Druck einen Ersatzraum stellen. Kurzerhand wurde vom Neubau – jetzt Arbeitnehmerkammer – ein Stückchen Tiefgarage abgezwackt und zum Partykeller umfunktioniert. Die Naturfreundejugend bekam dafür unbefristetes Nutzungsrecht, solange sie das Vorderhaus in der Buchtstraße gemietet hat.

Die Kammer, die das fertig gestellte Gebäude plus Tiefgarage mietete, übernahm den Nutzungsvertrag und machte in all den Jahren keine Anstalten, ihren zugemauerten Tiefgaragenteil wiederzubekommen, sagt Richter. Umso bizarrer, dass das Bauordungsamt erst im Oktober 2000 auf die Idee kam, einen Genehmigungsantrag für die zweckentfremdete Nutzung einzufordern, obwohl nie ein Geheimnis um diese Lösung gemacht wurde. Die Naturfreundejugend stellte den Antrag und bekam einen Ablehnungsbescheid. Begründung: Nicht genehmigungsfähig, da der Nachweis für die Stellplätze fehlt.

Der Jugendtreff braucht keine Stellplätze. Die Jugendlichen haben keine Autos. Es habe nie Probleme gegeben, die Räder unterzubringen. Richter und ihre Kollegin schreiben fleißig Briefe an das Amt für Soziale Dienste und an das Bauordnungsamt. Das Amt für Soziale Dienste schreibt an das Bauordnungsamt und bittet um eine Ausnahmeregelung, zumal die Nutzung schon so lange besteht. Das Bauordnungsamt reagiert darauf nicht und setzt der Buchstraße Fristen, in denen sich die Naturfreunde zur Anhörung im Amt einfinden können. Die muss stets verlängert werden, weil der zuständige Behördenmensch im Urlaub ist.

Dörte Richter findet, dass die Sache nicht auf rechtlicher, sondern auf politischer Ebene gelöst werden muss. Die Jugendsenatorin Hilde Adolf (SPD) „kennt das Problem“, informiert ihre Sprecherin. Adolf wolle sich mit der Bausenatorin Tine Wischer (SPD) zusammensetzen und „kümmert sich darum“. Auch aus dem Hause Wischer wird Gesprächsbereitschaft signalisiert. „Es kann nicht sein, dass mit einer solchen Forderung eine anerkannte Jugendeinrichtung exekutiert wird“, sagt Wischers Sprecher, Holger Bruns. Er verweist darauf, dass die Behörde sich an die Richtlinien halten müsse. „Es hört sich aber trotzdem schräg an“, sagt er .

Richters Kollegin Gudrun Kück hat eine Idee, warum das Bauordnungsamt auf die Idee kommt, sich die Verhältnisse in der Buchtstraße einmal genauer anzusehen. „Wir haben seit 20 Jahren Stress mit einem Anwohner, der sich durch uns gestört fühlt.“ Noch nie habe er die Buchtstraßen-Leute direkt angesprochen. Offenbar habe er sich direkt an das Bauordnungsamt gewandt. Anders kann sich Kück die späte Behördenforderung nicht erklären. Eiken Bruhn

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