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Macht zusammen: 18,70 Mark

Ab Juli sollen Sozialhilfeempfänger in vier Bezirken nur noch Pauschalen statt einmaliger Beihilfen bekommen  ■ Von Kaija Kutter

In den Bezirken Altona, Mitte, Harburg und Bergedorf können Sozialhilfeempfänger den jüngst neu aufgelegten „Sozialhilfeleitfaden“ in den Papierkorb werfen. Ab 1. Juli, so sieht es eine vertrauliche Drucksache vor, die der taz vorliegt, sollen sie im Rahmen eines „Modellversuchs“ statt einmaliger Hilfen zum Lebensunterhalt nur noch eine Monatspauschale von rund 18 Mark 70 bekommen. Ehepartner erhalten die Hälfte.

In die Summe seien „die Bedarfe einbezogen, die regelmäßig“ auftreten, heißt es in der Drucksache. Darunter sind aufgeführt: „Hausrat-Ersatzbeschaffung, einzelne Einrichtungsgegenstände, Elektro-Groß- und Kleingeräte, Wohnungsrenovierungen (nur Eigenleistung), Arbeitskleidung, Reparaturen, Schulbedarfe, Familienfeiern“. Ergänzt um die ohnehin schon gültige Bekleidungspauschale bekämen alleinstehende Frauen demnach 82 Mark 38 – zusätzlich zum Regelsatz von 561 Mark, von dem Essen, Energie und Fahrtkosten beglichen werden müssen.

„Ich bin nicht grundsätzlich gegen Pauschalen“, sagt Dirk Hauer von der Bürgerschaftsgruppe Regenbogen. „Aber dieser Betrag ist schlicht viel zu niedrig.“ Um beispielsweise eine neue Waschmaschine zu kaufen, müsste eine Person drei Jahre lang sparen und den Betrag für nichts anderes ausgeben. Denn der bislang geheim gehaltene Entwurf, der dem Regenbogen-Politiker über eine Bezirksfraktion zugespielt wurde, sieht keine Härtefallregelung vor. „Größere Anschaffungen müssen gegebenenfalls für einige Monate zurückgestellt werden“, heißt es dort. Dies sei „zumutbar“, weil es dem Verbraucherverhalten anderer Einkommensschichten entspreche.

Die Pauschale wird im Rahmen eines „Modellversuchs“ eingeführt, der schon am 1. Juli beginnen und im Januar 2004 enden soll. Möglich macht dies eine „Experimentierklausel“ im Paragraf 101a des Bundessozialhilfegesetzes. Basis für die Pauschale sind die Ausgaben von 1999. Auch dies stößt bei Sozialhilfeinitiativen auf Kritik. So sind Teuerungsraten nicht berücksichtigt. Darüber hinaus wurden die Richtwerte für Haushaltsgeräte heruntergerechnet. Durfte beispielsweise ein Staubsauger vor 1996 noch 130 Mark kosten, müssen heute 100 reichen.

Ausgenommen von der Pauschale sind Hilfen, die nur im „Ausnahmefall“ bewilligt werden, wie Umzugskosten, Grundausstattung für Hausrat und Bekleidung, Baby-Erstausstattung und Beerdigungskosten. Klassenreisen, eine klassische Sonderausgabe für Familien, sind hier nicht erwähnt.

Der Sozialpolitiker Hauer wirft Sozialsenatorin Karin Roth „Geheimdiplomatie“ vor: „Das Parlament weiß nichts, die Betroffenen wissen nichts, die Sachbearbeiter in den Bezirken wissen nichts.“ Lediglich die Fraktionen in den Bezirken wurden von den Bezirksamtsleitungen informiert. Ursprünglich hatten auch die Abgeordneten der Bürgerschaft ein Wörtchen mitreden wollen. Sie wolle darauf achten, dass es eine Härtefallklausel gebe, hatte die SPD-Sozialpolitikerin Tanja Bestmann noch im März versprochen.

Doch offenbar soll der Modellversuch nur per Rechtsverordnung des Senats beschlossen werden. Die Bürgerschaft müsse mit der Sache nicht befasst werden, „ein Senatsbeschluss reicht aus“, sagt Sozialbehörden-Sprecherin Ute Winkelmann-Bade zur taz. Möglicherweise zieht der Senat aber doch noch die Notbremse, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Winkelmann-Bade: „Solange der Senat nicht entschieden hat, ist der Zeitplan nicht definitiv.“

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